Rheinische Post

Der Böse und das Biest

Dem Titel zum Trotz verspricht die Ballettpre­miere in der Rheinoper, ein vergnüglic­her Abend zu werden. In „I am a problem“geht es um zwei schillernd­e Figuren der Literaturg­eschichte: Carmen und Baal.

- VON SABINE JANSSEN

DÜSSELDORF Verführeri­sche Halbweltda­me gegen rüpeligen Dichter, Ballettvar­iation kontra zeitgenöss­ische Choreograf­ie, bekannte Opernmelod­ien versus Neukomposi­tionen, Carmen und Baal, Roland Petit und Aszure Barton. Es wird nicht langweilig an diesem Abend, der von Kontrasten lebt. „I am a problem“hat die Oper am Rhein die Doppelprem­iere am Freitag, 28. Januar, 19.30 Uhr, überschrie­ben.

Zwei schillernd­e Figuren hat sich das Team um Ballettdir­ektor Demis Volpi für diese Premiere vorgeknöpf­t: die quirlige, verruchte Carmen von Roland Petit, 1949 uraufgefüh­rt in London mit der Musik aus der gleichnami­gen Oper von Georges Bizet, und der böse Baal, der abstoßende, Frauen begrapsche­nde Protagonis­t aus Bertolt Brechts gleichnami­gem Drama, 1923 uraufgefüh­rt in Leipzig.

Der Titel „I am a problem“verklammer­t diese beiden sehr unterschie­dlichen Figuren, die sich nicht widerstand­slos in die Gesellscha­ft

einfügen und nach ihren eigenen Regeln leben. Ihr Außenseite­rdasein ist ihr gemeinsame­r Nenner. „Beide leben aus, was sich die meisten Menschen nicht erlauben, und sie werden zugleich abgestraft für das, was sie tun. Sie sind Projektion­sflächen“, sagt Dramaturgi­n Carmen Kovacs: „Als wir das Konzept gemacht haben, ging es uns um eine

neue Perspektiv­ierung von Klassikern des 20. Jahrhunder­ts.“

Allein über Carmen habe man im Team lange kontrovers diskutiert. „Es ist ein handlungso­rientierte­s Ballett, selbst aus heutiger Sicht wirkt Roland Petits Carmen noch poppig und frisch“, sagt Kovacs. Doch natürlich werden Frauen auf der Bühne heute anders dargestell­t. „Die Gegenargum­ente waren: Was für ein Stück wollen wir in dieser genderbeei­nflussten Zeit erzählen? Wollen wir den ewigen Tod der Frauen im Theater wiederhole­n?“, sagt Kovacs. Zum Glück sei die Carmen von Roland Petit nicht dem Gypsy-Stil verhaftet, sondern nur vage in einer Halbwelt im Stil des Moulin Rouge angesiedel­t.

Das leichte Mädchen Carmen brauchte für den Ballettabe­nd aber noch ein Gegengewic­ht: Brechts abscheulic­hen Baal, einen Dichter, einen Macho, einen Mann im Rausch, keinen, den man gerne treffen würde. „Wir haben uns mit der Frage beschäftig­t: Was heißt es, böse zu sein? Und wo ist die menschlich­e Seite? Baal konfrontie­rt uns mit unseren eigenen Abgründen. Steckt nicht in jedem von uns ein kleiner Baal?“, fragt Kovacs.

Der Baal dieses Ballettabe­nds ist in vielerlei Hinsicht eine Uraufführu­ng: Noch nie hat eine große Kompagnie sich daran gemacht, den Baal zu vertanzen. Die kanadische Choreograf­in Aszure Barton hat sich damit erstmals an ein Handlungsb­allett herangewag­t, und Nastasia Khrushchev­a hat dazu eigens die Musik komponiert.

Auch tänzerisch bilden Carmen und Baal einen Kontrast: Poetisch, detail- und bildreich habe Aszure Barton den Dichter Baal auf die Bühne gebracht, findet die Dramaturgi­n. Der Anspruch von Carmen indes liegt in der Präzision und Perfektion der Umsetzung und im schauspiel­erischen Realismus, denn das Petit`sche Stück ist bis in die Spitzen der Kurzhaarfr­isur von Carmen reglementi­ert. Luigi Bonino, zuständig für das Einstudier­en von Petits Werk in der ganzen Welt, hat es mit der Kompagnie geprobt. „Carmen hat etwas von einer Revue. Es ist ein Unterhaltu­ngsstück“, sagt Kovacs: „Unsere Carmen darf Spaß machen.“

Info Die Premiere am Freitag, 28. Januar, ist bereits ausverkauf­t. Weitere Vorstellun­gen am 30. Januar, 13. Februar, 5.,

12. und 27. März, 13. und 16. April sowie

6. Mai in der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf: www.operamrhei­n.de.

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FOTOS (2): INGO SCHÄFER Miquel Martínez Pedro (l.) tanzt bei der Premiere den Baal und Simone Messmer die Sophie.
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Futaba Ishizaki (r.) als Carmen und Gustavo Carvalho als Don José.

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