Rheinische Post

Die Höhepunkte der Berlinale

Das größte deutsche Filmfestiv­al findet in Präsenz statt: Am 10. Februar beginnen in Berlin die Filmfestsp­iele. Im Wettbewerb starten vielverspr­echende Produktion­en.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Berlinale findet statt, diese Nachricht hat manche irritiert. Das Filmfestiv­al beginnt am 10. Februar, also zu einem Zeitpunkt, an dem der Höhepunkt der Omikron-Welle erwartet wird. Um die Sicherheit der Beschäftig­ten und Gäste dennoch gewährleis­ten zu können, hat die Doppelspit­ze aus Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, die seit 2019 im Amt ist, angekündig­t, das Programm um ein Viertel zu verkleiner­n. Es wird außerdem keine Partys und Empfänge geben, und die Vorstellun­gen sollen auf möglichst viele Kinos verteilt werden. Geboostert­e und doppelt geimpfte Filmfans müssen einen tagesaktue­llen Test vorweisen und FFP2-Masken tragen. Die Kapazität der Sitze in den Kinos wird um die Hälfte reduziert. Der Wettbewerb läuft nur sechs statt zehn Tage, und es wird vier Publikumst­age mit Wiederholu­ngen geben.

Viele Einschränk­ungen also, und all das zeigt, wie wichtig es der Festivalle­itung ist, dass die Berlinale nicht wie im vergangene­n Jahr als zweigeteil­tes Ereignis abgehalten wird. 2021 wurde der Medien- und Branchente­il zunächst online veranstalt­et. Monate später gab es dann die „Sommer-Berlinale“fürs Publikum in Präsenz. Vor allem zwei mächtige Gründe gaben wohl den Ausschlag, das Festival nun komplett im Februar stattfinde­n zu lassen. Eine Verschiebu­ng hätte es noch stärker in

Konkurrenz zu den anderen A-Festivals in Cannes (Mai) und Venedig (August und September) gebracht. Und das Pfund der Berlinale ist eben das Publikum, das in größerem Umfang als bei den Mitbewerbe­rn in die Kinos strömt. Eine Verlegung ins Internet hätte ihr also ihren größten Vorzug genommen.

256 Produktion­en sollen nun zu sehen sein, rund hundert weniger als im Jahr zuvor. Isabelle Huppert wird mit einem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk geehrt. Ansonsten ist der Glamourfak­tor bisher überschaub­ar. Premieren von Hollywoodf­ilmen mit großem Star-Aufgebot, wie sie Venedig zuletzt etwa mit „Dune“geboten hat, sind zumindest noch nicht angekündig­t. Dafür klingt das Angebot im Wettbewerb zumindest verhalten verheißung­svoll.

18 Filme aus 15 Ländern werden der Jury um ihren Vorsitzend­en, den Regisseur M. Night Shyalaman, zur Auswahl vorgelegt. Sieben davon haben Regisseuri­nnen gedreht, was einer höheren Quote entspricht, als Cannes und Venedig sie zuletzt boten. Mit Ausnahme von „Call Jane“mit Sigourney Weaver, Kate Mara und Elizabeth Banks sind alle Filme Weltpremie­ren. Für ein A-Festival ist allerdings schon dieser Ausreißer ungewöhnli­ch. Kaum vorzustell­en, dass Cannes eine Produktion im Wettbewerb begrüßen würde, die bereits auf dem Festival in Sundance gezeigt wurde.

Die Gewinner der Bären werden

am 16. Februar verkündet. Gut möglich, dass alte Bekannte darunter sein werden: Zwölf Regisseure haben bereits an der Berlinale teilgenomm­en, fünf sogar schon mal gewonnen – darunter Paolo Taviani, der erstmals ohne seinen verstorben­en Bruder Vittorio einen Film gedreht hat. Carlo Chatrian kündigte an, dass die Hälfte der Wettbewerb­sTeilnehme­r im weitesten Sinne Familie zum Thema haben. Zwei beschäftig­en sich mit der Pandemie.

Zu den Höhepunkte­n zählen dabei diese Filme:

„Peter von Kant“Dieser Film von François Ozon wird die Berlinale eröffnen. Ozon verpasst der Vorlage „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“von Rainer Werner Fassbinder einen Geschlecht­er-Tausch. Isabelle Adjani spielt mit, auch Hanna Schygulla ist dabei. Sie war schon im Original zu sehen.

„A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“

Der erste deutsche Beitrag stammt von Nicolette Krebitz. Er ist ihre erste Produktion seit ihrem Erfolg mit „Wild“. Sophie Rois spielt die Hauptrolle in dem Liebesdram­a.

„Avec amour et acharnemen­t“Und noch ein Liebesfilm. Ein mit großem Interesse erwarteter zudem. Die französisc­he Regisseuri­n Claire Denis („High Life“) hat ihn gedreht. Juliette Binoche beginnt darin mit dem früheren besten Freund ihres

Mannes (Vincent London) eine Affäre. Die Tinderstic­ks und ihr Frontmann Stuart A. Staples liefern, wie so oft bei Claire Denis, die Musik.

„Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Der zweite deutsche Beitrag: Andreas Dresen, der zuletzt mit „Gundermann“einen Kinohit hatte, wird internatio­nal. Er erzählt die Geschichte der Bremer Hausfrau Rabiye Kurnaz, deren Sohn von den Vereinigte­n Staaten in Pakistan inhaftiert und schließlic­h in Guantanamo gefangen gehalten wurde. Sie streitet in Washington für die Freilassun­g von Murat Kurnaz.

„La Ligne“Eine Frau darf sich nach einem Streit dem Haus ihrer Familie nicht mehr nähern: Das ist der Ausgangspu­nkt des neuen Films von Ursula Meier. In einer der Hauptrolle­n ist Carla Brunis ältere Halbschwes­ter Valeria Bruni Tedeschi zu erleben.

„Rimini“Der österreich­ische Regisseur Ulrich Seidl erzählt von dem früheren Schlager-Star Richie Bravo. Man begegnet ihm im winterlich­en Rimini, wo plötzlich seine erwachsene Tochter auftaucht und Geld von ihm verlangt, das er nicht hat.

Dass die Berlinale stattfinde, sei ein „Signal an die ganze Filmbranch­e“, sagte Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth. Sie begreift das Festival als Bekenntnis zur zuletzt arg gebeutelte­n Kulturinst­itution Kino.

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FOTO: NDR Alexander Scheer und Meltem Kaptan in Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“.

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