Das Gedenken ist wichtiger denn je
Es dauerte mehr als fünf Jahrzehnte, bis in Deutschland erstmals im offiziellen Rahmen der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht wurde. Dass nun nicht nur im Land der Täter in würdevollem Rahmen und mit aufwühlenden Worten regelmäßig an den Holocaust erinnert wird, war selten so wichtig wie an diesem 77. Jahrestag. Denn den Judenstern mit der Aufschrift „Ungeimpft“an die Brust zu heften, ist keine Exklusividee deutscher Holocaust-Verharmloser. Auch in Frankreich stilisieren sich Impfgegner mit den Wörtern „Sans vaccin“(„Ohne Impfstoff“) auf dem Judenstern als eine von Massenmord bedrohte Bevölkerungsgruppe. Und auch an den Straßenlaternen in Brüssel kleben Aufkleber mit der Botschaft „Stop dictature sanitaire“(„Stoppt die Gesundheitsdiktatur“). Damit hat die Verhöhnung der Opfer von Holocaust und Gewaltherrschaft in Europa ein Ausmaß angenommen, das über Jahrzehnte kaum vorstellbar war.
Deshalb ist es gut, dass nicht nur der Bundestag die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher bat, einer weiteren Generation von Deutschen das abscheuliche Geschehen näherzubringen, sondern dass die Überlebende Margot Friedländer zugleich vom Europaparlament ans Rednerpult in Brüssel geladen wurde. Wer ihre Schilderungen einmal verfolgte, kann kein Verständnis mehr für gemeingefährliches Schwurbeln mit Holocaust-Vergleichen haben. Man muss seinen Kompass für die gar nicht so schwere Unterscheidung zwischen Völkermord und Aufrufen zum freiwilligen Impfen schon lange im Nirwana der wirklichkeitsverdrehenden Netzideologen verloren haben, um danach noch zum gelben Stern greifen zu können.
Dagegen hilft nur eine Grundimmunisierung möglichst großer Teile jeder neuen Generation. Nicht nur am 27. Januar.