In der Realität angekommen
Wirtschaftsminister Habeck hat seine Wachstumsskepsis in Teilen aufgegeben.
Zwei Dinge stechen aus dem Jahreswirtschaftsbericht 2022 mindestens hervor: Erstens fällt er nicht so wachstumskritisch aus wie nach dem Entwurf vom Dezember erwartet wurde. Im Gegenteil: Dass die Bundesregierung die Wachstumsprognose für 2022 von 4,1 auf 3,6 Prozent nach unten korrigieren musste, trug Bundeswirtschaftsminister Habeck mit Bedauern vor und nicht mit Begeisterung, wie man es vielleicht von einem Wachstumsskeptiker erwartet hätte. Zweitens werden im Bericht zahlreiche Indikatoren angeführt, welche die Bundesregierung nun zusätzlich berichten will. Dass Wachstum nun prinzipiell als etwas Positives beschrieben wird, mag am Einfluss von SPD und FDP liegen, denn der Jahreswirtschaftsbericht ist ein Bericht der gesamten Bundesregierung. Es mag aber auch zeigen, dass Robert Habeck nun vollends im Wirtschaftsministerium angekommen ist.
Die naive Vorstellung mancher Wachstumskritiker, dass Wirtschaftswachstum immer quantitativ sein muss und stets mit höherem Ressourcenverbrauch einhergeht, ist nämlich grundfalsch. Das Bruttoinlandsprodukt misst die wirtschaftliche Wertschöpfung eines Landes. Diese kann auch durch effizientere Produktionsweisen steigen. Das aber heißt, dass gerade weniger Ressourcen zur Produktion notwendig sind, nicht mehr. Zusätzliche Wertschöpfung kann zudem durch Produktinnovationen entstehen oder allgemein durch neue Produkte, die den Menschen mehr wert sind. Verbesserungen von Produktionsprozessen und neue Produkte wird es geben, solange Menschen neue Ideen haben. Erst wenn der Menschheit einmal die Ideen ausgehen sollten, was man alles noch besser machen kann, sind die Grenzen des Wachstums wirklich erreicht. Dass der Menschheit jemals die Ideen ausgehen, wage ich aber zu bezweifeln. Wichtig ist, Wachstum noch stärker vom Verbrauch natürlicher Ressourcen zu entkoppeln. Die Frage ist nicht, ob wir Wachstum brauchen, sondern welche Art des Wachstums. Dass in Zukunft auch andere Indikatoren stärker berichtet werden sollen, ist daher gut.