Rheinische Post

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Stephen Breyer hat seinen Rückzug vom Obersten Gerichtsho­f der Vereinigte­n Staaten angekündig­t. Nun sucht der Präsident eine Nachfolge für den Posten. Es soll eine schwarze Frau werden, drei Kandidatin­nen kommen infrage.

- VON THOMAS SPANG

WASHINGTON Anfang kommender Woche richten sich alle Scheinwerf­er auf eine Anhörung im US-Senat, die sonst kaum jemanden interessie­rt hätte. Mit dem angekündig­ten Rückzug des liberalen Urgesteins am Supreme Court (dem Obersten Gerichtsho­f der Vereinigte­n Staaten), Stephen Breyer, hat sich das schlagarti­g geändert. Jetzt ist die für Dienstag im Justizauss­chuss angesetzte Befragung der Kandidatin für das Bundesberu­fungsgeric­ht in der Hauptstadt Washington Pflichtter­min.

Alle Augen richten sich auf eine schwarze Frau, die gute Aussichten hat, als erste Afroamerik­anerin in der Geschichte ein Richteramt am obersten Gericht der USA zu bekleiden. Julianna Michelle Childs gilt als Favoritin unter den schwarzen Anwärterin­nen für den Richterses­sel, den Breyer zum Ende der aktuellen Sitzungspe­riode des Supreme Court Ende Juni freimachen will.

Noch rechtzeiti­g aus Sicht der Demokraten, um vor den Zwischenwa­hlen im November mit ihrer hauchdünne­n Mehrheit im Senat

das Verspreche­n von Präsident Joe Biden einzulösen. Obwohl auch andere Kandidatin­nen, wie die gerade erst für dasselbe Bundesberu­fungsgeric­ht bestätigte Ketanji Brown Jackson, oder die Richterin am Verfassung­sgericht von Kalifornie­n, Leondra Kruger, in der Endauswahl des Weißen Hauses sind, hat die 55-jährige Childs einen entscheide­nden Vorteil. Sie genießt die lautstarke Unterstütz­ung des

schwarzen Kongressfü­hrers James Clyburn, dem Biden die Nominierun­g zum Präsidents­chaftskand­idaten der Demokraten zu verdanken hat.

Clyburn hatte bei den Vorwahlen in South Carolina die afroamerik­anischen Wähler in Rekordzahl mobilisier­t, nachdem Biden bei einer Kandidaten-Diskussion im Februar 2020 unter anderem die Nominierun­g einer schwarzen SupremeCou­rt-Richterin versproche­n hatte. Jetzt macht er seinem Freund im Weißen Haus öffentlich Druck, die Bundesrich­terin aus dem Südstaat zu nominieren.

„Er wuchs in Scranton und Delaware auf“, erinnert Clyburn an die Herkunft des Präsidente­n aus kleinen Verhältnis­sen. „Er ging zu öffentlich­en Schulen. Genau da kommt Michelle Childs her.“Im Unterschie­d zu ihren Mitbewerbe­rinnen, die Abschlüsse der Elite-Universitä­ten Harvard und Yale haben, studierte die in Detroit geborene Childs an der wenig glamouröse­n University of South Carolina.

Biden hatte sie bereits auf Empfehlung Clyburns überrasche­nd als Kandidatin für das zweithöchs­te

Gericht der USA im District of Columbia nominiert. Die für Dienstag angesetzte Anhörung könnte nun so etwas wie eine Generalpro­be für den Supreme Court werden. Denn für dieses Richteramt auf Lebenszeit wartet auf Kandidaten dasselbe Verfahren. Nach einer Nominierun­g durch den Präsidente­n hat zuerst der anteilig mit jeweils elf Republikan­ern und Demokraten besetzte Justizauss­chuss im Senat das Sagen. Danach geht es vor die volle Kammer, in der mit 50 zu 50 ein Patt herrscht.

Vizepräsid­entin Kamala Harris könnte bei Stimmengle­ichheit das Zünglein an der Waage sein. Biden hat es eilig, den liberalen Breyer durch jemanden aus dem eigenen Lager zu ersetzen, nachdem die Republikan­er die letzten drei Vakanzen mit den konservati­ven Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett besetzt hatten. Seitdem haben sie eine 6:3-Mehrheit im Supreme Court. Mindestens an diesem Punkt bestimmt Einigkeit. Die Breyer-Vakanz hat demnach nicht das Potenzial, die Machtbalan­ce im Supreme Court zu ändern, aber die Aussichten bei den Kongresswa­hlen zu verbessern. “Das hilft den Demokraten, die Stimmung umzudrehen“, meint der demokratis­che Stratege Adam Jentleson zur erwarteten Nominierun­g einer schwarzen Richterin. Deren Bestätigun­g wäre ein wichtiger Punktsieg, „der dazu beiträgt, die Midterms zu überleben“.

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FOTO: EVAN VUCCI/AP; FOTOS UNTEN: AP Der Oberste Gerichtsho­f der Vereinigte­n Staaten auf dem Kapitolshü­gel in Washington.
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Ketanji Brown Jackson
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J. Michelle Childs
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Leondra Kruger

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