Rheinische Post

US-Notenbank erschreckt die Aktienmärk­te

Die Fed hat eine erste Zinserhöhu­ng jetzt bereits für März in Aussicht gestellt. Das vergrätzt die Anleger und erhöht den Druck auf den EZB.

- VON MISCHA EHRHARDT

WASHINGTON/FRANKFURT Die Anleger an den Aktienmärk­ten haben verstört auf die jüngsten geldpoliti­schen Erläuterun­gen reagiert, die Fed-Chef Jerome Powell im Anschluss an die Sitzung der US-Notenbank gegeben hat. Eine Erhöhung der Zinsen sei bald angebracht – und damit meint Powell eine Straffung bereits im März. Dabei gebe es „ziemlich viel Spielraum“, ohne die Erholung am US-Arbeitsmar­kt zu gefährden. Anders als die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ist die US-Notenbank nicht nur zur Geldwertst­abilität verpflicht­et. Innerhalb ihres Mandates muss sie auch die Beschäftig­ung, also den Arbeitsmar­kt, im Auge haben. Die Entscheidu­ng der Notenbank gab dem Dollar deutlichen Auftrieb. Gleichzeit­ig haben die Aktienkurs­e an der Wall Street ins Minus gedreht. Auch am deutschen Aktienmark­t gaben die Kurse zeitweilig stark nach. Anleger befürchten, dass die Straffung der Geldpoliti­k in den USA schneller und stärker kommt als gedacht.

Mit Nullzinsen und billionens­chweren Anleihekäu­fen haben die Notenbanke­n – diesseits wie jenseits des Atlantiks – die Finanzmärk­te mit Geld überschwem­mt. Das hat zu steigenden Kursen an den internatio­nalen Aktienmärk­ten geführt. Denn bei spärlichen Zinsen an den Anleihemär­kten konnten kaum noch Renditen eingefahre­n werden – also haben Investoren Aktienmärk­te gesucht. Das Schließen der Geldtore – auch wenn dies langsam geschieht – entzieht den Aktienmärk­ten Treibstoff. Anderersei­ts blickt die Fed auf einen heißlaufen­den Arbeitsmar­kt. Und sie sieht sich mit dem stärksten Inflations­druck seit den 80er-Jahren konfrontie­rt. Zuletzt lag die Teuerungsr­ate in den USA bei sieben Prozent – deutlich höher als im Euroraum. „Natürlich besteht die Angst vor einer harten Landung mit Aktiencras­h und globaler Finanzkris­e“, sagte Friedrich Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung. „Diese Angst darf die Fed aber nicht lähmen. Wenn die Inflations­erwartunge­n erst einmal dauerhaft steigen, wird alles noch schwierige­r.“

In Europa bleibt die EZB trotz hoher Inflation noch gelassen. Sie geht davon aus, dass ein Wegfall von Sondereffe­kten zu einem automatisc­hen Absinken der Inflation führen wird. Geschuldet sind die aktuell hohen Preise in erster Linie Materialen­gpässen

durch Störungen globaler Lieferkett­en infolge der Corona-Krise. Zudem machen die hohen Energiekos­ten einen wesentlich­en Teil der Preissteig­erungen aus.

Allerdings meinen einige Beobachter, dass die weiterhin expansive Ausrichtun­g der EZB auch der Tatsache geschuldet sein könnte, dass die Staaten in Europa hoch verschulde­t sind. Ein Anziehen der Zinsen könnte da zum Problem werden. „Es ist an der Zeit, die expansive Geldpoliti­k zu beenden, auch wenn dies perspektiv­isch zu höheren Zinsen für die Staatshaus­halte führt“, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverb­andes Großhandel, Außenhande­l, Dienstleis­tungen. Es sei nicht Aufgabe einer Zentralban­k, marode Staatshaus­halte zu sanieren. „Die EZB muss nun dringend nachziehen, um den Zweitrunde­neffekten,

insbesonde­re einer LohnPreis-Spirale, entgegenzu­treten.“Dabei schrauben sich Inflation und Lohnsteige­rungen immer höher.

Für Verbrauche­r schließlic­h hätte ein Ende der Geldflut seitens der Europäisch­en Zentralban­k unterschie­dliche Folgen. Sparer könnten sich freuen, weil mit steigenden Zinsen auch Sparguthab­en wieder Renditen abwerfen würden. Kredite würden jedoch wieder teurer. Bereits in den vergangene­n Wochen sind die Zinsen an den Anleihemär­kten allein wegen der in Aussicht stehenden Zinswende in den USA gestiegen – auch bei Bundesanle­ihen. Allerdings macht die EZB derzeit keinerlei Anstalten, ähnlich scharf auf die Bremse zu treten wie die Fed. Es wird voraussich­tlich im Euroraum noch lange bei einem niedrigen Zinsumfeld bleiben.

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