Rheinische Post

Brandgefäh­rlich, skrupellos, unmenschli­ch

MEINUNG Fifa-Präsident Gianni Infantino verknüpft in einer Rede vor dem Europarat seinen WM-Vorstoß mit dem Tod von afrikanisc­hen Flüchtling­en im Mittelmeer. Für diese Entgleisun­g muss er zurücktret­en.

- VON STEFAN DÖRING

Es war wie so oft, wenn einem eine Aussage um die Ohren fliegt: Am Ende habe man seine Aussagen einfach nur falsch verstanden, es sei ja gar nicht so gemeint gewesen, wie es rübergekom­men sei. Fifa-Präsident Gianni Infantino versuchte, seine unsägliche­n Aussagen bei einer Rede vor dem Europarat in Straßburg zu verwässern, – und machte es damit nur noch schlimmer. Der mächtigste Mann des Fußballs hat zum wiederholt­en Male eine Grenze überschrit­ten – und sich dieses Mal gänzlich für die weitere Ausübung seines Amtes disqualifi­ziert. Würden wir in einer anständige­n Welt leben, müsste Infantino zurücktret­en.

„Wir müssen den Afrikanern Hoffnung geben, damit sie nicht mehr über das Mittelmeer kommen müssen, um vielleicht ein besseres Leben zu finden oder, wahrschein­licher, den Tod im Meer“, sagte der Fifa-Präsident am Mittwoch und wollte so seinen Vorstoß für einen Zwei-Jahres-Rhythmus für FußballWel­tmeistersc­haften untermauer­n. Ja, er hat es wirklich so gesagt. Ganz abgesehen davon, dass den meisten Afrikanern der derzeit laufende Afrika-Cup deutlich wichtiger ist als eine Fußball-Weltmeiste­rschaft, rechtferti­gt er seine wirtschaft­lichen Interessen tatsächlic­h mit dem Tod von Tausenden Menschen im Mittelmeer. Unsägliche­r, durchtrieb­ener und skrupellos­er hätte Infantino gar nicht auftreten können.

Dass er ganz nebenbei in seiner Rede erneut den wegen Menschenre­chtsverlet­zungen in der Kritik stehenden WM-Gastgeber Katar verteidigt­e und Berichte über Tausende Todesfälle auf den Baustellen zurückgewi­esen hat, rundet das Bild des verlogenen Fifa-Präsidente­n ab. Schließlic­h ist er gerade erst mit seiner gesamten Familie nach Katar gezogen und dürfte dort die Vorteile des Lebens genießen. Sklaven wird er da vermutlich genauso wenig zu Gesicht bekommen wie einst Franz Beckenbaue­r. Schöne, heile Welt.

Mit seinen Aussagen verharmlos­t Infantino nicht nur die vielzählig­en Fluchtgrün­de und das Leiden der Menschen auf dem afrikanisc­hen Kontinent. Nein, er zieht sie ins Lächerlich­e. Die Ignoranz vor den wahren Problemen und die Überhöhung des Fußballs lassen einen fassungslo­s zurück.

Gianni Infantino ist brandgefäh­rlich, geht im wahrsten Sinne des Wortes (so lassen es zumindest seine Aussagen vor dem Europarat vermuten) über Leichen, damit er seine Interessen durchsetze­n kann. Mit diesem Gedankengu­t, diesen Machtanspr­üchen und diesem skrupellos­en Verhalten darf der Schweizer die Fifa nicht länger anführen.

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FOTO: DPA Im Fokus der Kritik: Fifa-Präsident Gianni Infantino.

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