Rheinische Post

„Sportler müssen stärker einbezogen werden“

- VON ANDREA BURKE ist Doppel-Olympiasie­gerin im Biathlon. FOTO: IMAGO

Normalerwe­ise sollte Olympia in einer sportliche­n Karriere ein Highlight sein, darauf trainiert man hin und die Spiele finden nur alle vier Jahre statt. Im Biathlon sind wir etwas verwöhnt, da gibt es mehrere Chancen eine Medaille zu gewinnen, aber je nach Sportart gibt es eventuell sogar nur eine Chance. Egal wie viele Chancen man hat, man möchte seine beste Leistung zeigen, auch wenn es Kritik an den Spielen gibt. Mein Olympia-Gold ist 20 Jahre her, und bis zu meinen letzten Spielen 2014 in Sotschi sind die Winterspie­le für mein Gefühl immer ein bisschen größer geworden. Und irgendwann wurde dann auch die Kritik immer größer.

In Sotschi war die politische Lage auch schon problemati­sch, und es gab Fragen nach einem Boykott und wie man sich zu den dortigen Verhältnis­sen verhalten sollte. Ich fand das damals sehr schade, dass die Athleten dafür in die Bresche springen sollten, was das IOC entschiede­n hatte. Das hat auch mich belastet und ich wusste nicht so richtig, wie ich damit umgehen soll. Am Ende geht es ja darum, wer die Olympische­n Medaillen gewinnt. Ich kann mir vorstellen, dass es vielen Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n jetzt auch so geht. Und nein, ich würde die Winterspie­le in Peking auch nicht boykottier­en.

Dass die Athleten in so eine Situation gebracht werden, ist nicht richtig. Ja, als „Person des öffentlich­en Lebens“hat man vielleicht auch noch eine Rolle neben dem Leistungss­port, aber wenn die Fans bei den Olympische­n Spielen Medaillen feiern möchten, muss man in dem Moment den Sportlern erlauben, sich auf diese Aufgabe konzentrie­ren zu dürfen. Ich glaube im Nachhinein auch, dass die Kritik vor Sotschi bei mir ein Grund war, weswegen ich bei den Spielen nicht meine besten Leistungen abrufen konnte. Nicht nur deswegen, da gab es auf jeden Fall noch andere Punkte, aber ein Grund.

Ich hatte schon vorher das Gefühl, dass ich mich gar nicht freuen darf, zu den Olympische­n Spielen zu fahren. Wie für uns damals sollte auch für die Olympia-Teilnehmer in Peking gelten: Euer Job ist der, das zu machen, was ihr könnt. Ihr seid da, um euren Sport zu machen und den

Sport zu präsentier­en. Es ist nur alle vier Jahre Olympia. Mir hätte es geholfen, wenn 2014 jemand gesagt hätte: „Ja, diese und diese Punkte sind kritisch. Die kannst du auch ansprechen. Aber es ist okay, dass du dahin fährst und darum kämpfst, worum du kämpfen willst.“Und das waren sportliche Erfolge. Auf der anderen Seite konnte mir das auch niemand sagen, da ich mir selbst nicht eingestehe­n wollte, dass ich diese Worte brauchen könnte.

Es ist schade, wenn die Athletinne­n und Athleten das Gefühl bekommen, sie machen mit ihrer Teilnahme etwas nicht richtig. Und das IOC trifft in diesem Zusammenha­ng die Entscheidu­ng für die Athleten, oder sollte sie für die Athleten treffen. Die Athleten reisen dort hin, wo Olympische­n Spiele ausgetrage­n werden. Wenn die Athleten die eigentlich­e Olympische Idee verkörpern sollen, sollte man vielleicht auch über eine Möglichkei­t nachdenken, sie stärker bei der Entscheidu­ng mit einzubezie­hen.

Abgesehen von der Menschenre­chtslage in China

gibt es noch einen Punkt: Wenn man Winterspie­le in eine Region vergibt, dann sollte dort auch Winterspor­t existieren. China hat zwar in den letzten Jahren viel investiert und gemacht, so dass auch ihre Sportler an den Wettbewerb­en teilnehmen. Aber was passiert danach? Wird sich eine Winterspor­ttradition entwickeln?

Es war nicht so, dass es in den vergangene­n Jahrzehnte­n wenige Bewerber gegeben hätte. Die sind weniger geworden, weil die Spiele vergeben wurden, wie sie vergeben wurden und weil die Kritik dadurch an Olympia immer größer wurde. Nicht alle können stemmen, was zum Beispiel Russland stemmen konnte oder jetzt China. Es braucht nicht immer noch mehr Event, noch eine Lichtersho­w, noch zwei Minuten mehr Feuerwerk, damit es tolle Winterspie­le werden. Die schönsten Partys sind nicht unbedingt die pompöseste­n. Es geht um den Sport und der sollte im Vordergrun­d stehen. Wenn das Event dann noch nachhaltig ist, es von den Menschen gewollt ist und alles Hand und Fuß hat, dann erfüllen die Spiele den Olympische­n Gedanken.

Andrea Burke

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