Rheinische Post

Betrüger nimmt Zufallsbek­anntschaft aus

Einem behinderte­n Mann soll der 59-Jährige Freundscha­ft vorgegauke­lt und ihm 9000 Euro abgenommen haben.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

DÜSSELDORF Heulen, Zähneknirs­chen und ein skurriles Liebesbeke­nntnis an sein Opfer haben einen 59-jährigen Trickbetrü­ger am Donnerstag nicht vor einer Verurteilu­ng bewahrt. Vor dem Amtsgerich­t angeklagt wegen 34 Fällen des Betruges, gab er zwar zu, rund ein Jahr lang einen geistig eingeschrä­nkten Bekannten (53) immer wieder massiv unter Druck gesetzt und ihm nach und nach 9000 Euro abgeschwat­zt zu haben. Aber: „Diesen Mann liebe ich über alles – was der für mich getan hat! Und der will doch sicher nicht, dass ich jetzt verurteilt werde.“

Diese „Männerfreu­ndschaft“war eigentlich keine, denn der Angeklagte

sah sein Opfer, das er 2017 zufällig in der Friedrichs­tadt getroffen hatte, offenbar als Goldesel. Man habe anfangs über Fußball geplaudert und eine Herz-Operation, die dem Angeklagte­n

vier Bypässe beschert hatte. Und dann habe er, so sein Geständnis, das Gespräch auf seine finanziell­en Schwierigk­eiten gelenkt. „Ich hatte Mietrückst­ände, das war für mich ein Tanz auf der Rasierklin­ge oder auf ganz dünnem Eis!“

Um seine Misere zu lindern, hat er den „Freund“teilweise mehrmals pro Monat abgepasst, angerufen oder besucht – und dann immer neues Geld verlangt. Das Opfer war aufgrund seiner kognitiven Einschränk­ungen nicht in der Lage, diesem Drängen etwas entgegen zu setzen, händigte dem Angeklagte­n immer wieder zwischen 100 und 500 Euro aus – und zwar in 34 Fällen.

„Ich habe den nicht ausgenutzt, auf keinen Fall! Ich wollte ja zurückzahl­en, habe aber nie ein Datum genannt. Ich habe immer gesagt, wenn ich irgendwann Geld habe, zahle ich zurück“, so der Angeklagte. Er gab aber auch zu, dass er nach seiner Herz-OP, bei seinem Lebensalte­r und mangels irgendeine­r Ausbildung jetzt kaum noch Aussichten auf einen Job hat: „Ich lebe von der Hoffnung!“Doch als der Staatsanwa­lt wegen der „hohen moralische­n Verwerflic­hkeit“der Betrugstat­en und dieses Täters 18 Monate Gefängnis ohne Bewährung forderte, da sackte der Angeklagte mit dem Oberkörper plötzlich auf den Tisch: „Ich bin kein Säufer, nehme keine Drogen – und von dem Geld ist auch nix mehr übrig“, schluchzte er in seine Armbeuge.

Dass der 59-Jährige jetzt „Angst hat, ins Gefängnis zu kommen“, fand die Richterin nachvollzi­ehbar. Sie setzte die beantragte Haftstrafe für den Angeklagte­n also zur Bewährung aus – unter der Bedingung, dass er dem Opfer dessen Geld jetzt ratenweise zurückzahl­t.

Wie das mit dem Regelsatz der Sozialunte­rstützung klappen soll, ist ungewiss. Zumal der Staatsanwa­lt darauf hingewiese­n hatte, dass die „finanziell­e Schieflage“des Angeklagte­n anhalte und dass allein schon deshalb weitere Betrugstat­en zu befürchten seien. Doch die Richterin begründete ihr Urteil ebenfalls mit einer großen Hoffnung – dass der 59-Jährige jetzt nämlich straffrei bleiben möge.

Ob der Staatsanwa­lt diese Entscheidu­ng per Berufung anfechten wird, ist noch nicht entschiede­n.

 ?? F.: WUK ?? Vor Gericht brach der Angeklagte in Tränen aus.
F.: WUK Vor Gericht brach der Angeklagte in Tränen aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany