Sozialprojekt der Recke-Stiftung ist gescheitert
Bauliche und inhaltliche Gründe sprechen gegen die Umsetzung des Wohnprojektes für belastete Familien und behinderte Menschen.
GARATH Schon der Start der Aktivitäten der Graf-Recke-Stiftung in Garath verlief unglücklich. Im Sommer 2020 wurden die Mitglieder der Bezirksvertretung (BV) 10 von einem Antrag einer Nutzungsänderung für das frühere Seniorenzentrum Hildegardisheim im Burgviertel überrascht. In diesem war zunächst von einem Wohnheim die Rede, in das psychisch auffällige junge Menschen einziehen sollten. Geredet hatte mit den Stadtteilpolitikern darüber zuvor niemand.Das kennt man dort eigentlich nicht: Sonst arbeiten hier alle Hand in Hand.
In Garath fühlten sich deshalb viele auf den Schlips getreten, vor allem die Anwohner. Nach einer Nachschärfung des Konzeptes teilte die Graf-Recke-Stiftung mit, dass das von einem Investor bereits erworbene Haus traktweise nun für eine unterschiedliche Klientel genutzt werden sollte: Für Familien mit Problemen, Kinder, die aus Gefährdungsgründen aus ihrer Familie herausgeholt werden müssen, sowie für Erwachsene mit einer geistigen Behinderung, die unter Anleitung ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Im zweiten Anlauf gab es dann im September 2020 grünes Licht durch die BV, wenn auch unter Vorbehalten. Die Verwaltung führte damals aus: „Im Zuge der Erhaltung der unter Denkmalschutz stehenden Bausubstanz sowie der nur minimal erforderlichen Eingriffe, stellt die geplante Nachnutzung eine sinnvolle Alternative dar.“
Doch aus diesen Plänen wird überraschend nichts. Bei einem Besuch der Baustelle im Mai 2021 hieß es noch, dass die Graf-Recke-Stiftung im August 2021 mit den ersten Angeboten starten wollte. Die Umbauarbeiten im unter Denkmalschutz stehenden Haus waren im vollen Gang. Unter anderem wurden Wände herausgerissen,
um aus zwei früheren Bewohnerzimmern größere Wohneinheiten zu machen. Auf eine Anfrage unserer Redaktion teilte die Verwaltung nun mit, „dass sowohl aus inhaltlichen wie auch baulichen Gründen die Nutzung der Liegenschaft als Betreuungs- und Wohnprojekt für Kinder und Familien nicht umsetzbar ist.“
Gebaut hatte das Heim Ende der 1960er Jahre Star-Architekt Gottfried Böhm, ein bedeutender Vertreter des Brutalismus. Die Caritas baute lieber 100 Metern entfernt selber neu, als sich den Stress mit den vielen denkmalschutzrechtlichen
Auflagen samt Architektenschutz anzutun. 2020 war der Umzug in den Neubau des Seniorenheimes. Damals hieß es, dass man in dem Böhm-Haus noch nicht einmal eine Türklinke hätte verändern dürfe.
Was genau zum Stopp der Planungen für das Soziale Zentrum führte, das wird in diversen Stellungnahmen derzeit offengelassen. Bei einer Konfrontation der Graf-ReckeStiftung mit den Aussagen der Stadt, nachdem es bei einer ersten Anfrage keine Auskünfte gegeben hat, heißt es nun „der Stellungnahme der Stadt schließen wir uns an, und wir können darüber hinaus mitteilen, dass
wir uns weiterhin mit dem Investor im Gespräch befinden.“Der verweist im Gespräch mit unserer Redaktion auf eine mit der Stiftung geschlossene Verschwiegenheitserklärung.
Weitergehende Fragen wurden von der Stiftung nicht beantwortet. Die Stadt hatte in ihrer Stellungnahme zudem ausgeführt, dass derzeit die Grundstückseigentümerin eine Umnutzung ihrer Liegenschaft eruiere. Es fänden unter anderem Abstimmungsgespräche im Sinne einer Bauberatung zwischen Grundstückseigentümerin und dem Baudezernat statt. „Die
Weiterentwicklung dieser für Garath wichtigen Liegenschaft wird begrüßt und, soweit bauplanungsund bauordnungsrechtlich möglich, positiv begleitet.“
Klaus Erkelenz, Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk 10, haut die Nachricht vom Ende des Projektes um: „Ich bin fassungslos.“Ein passendes Ende für ein Projekt, das schon mit Anlaufschwierigkeiten startete? Die CDU hatte in der entscheidenden Sitzung der BV im September 2020 erst gar nicht zugestimmt, weil man immer noch zu viele offene Fragen sah. Etwas Gutes hat das Aus dieser Form der Nutzung für den CDU-Mann nun aber auch: „Ich wünsche mir nach wie vor ein Studentenwohnheim in dem früheren Hildegardisheim.“
Welche inhaltlichen Gründe gegen das Konzept sprechen, das führte die Stadt nicht aus. Auf Anfrage teilte der Landschaftsverband Rheinland mit, dass es im Vorfeld einer zu erteilenden Betriebserlaubnis durch das beim LVR angesiedelte Landesjugendamt Vorgespräche mit der Graf-Recke-Stiftung gegeben habe. Aus LVR-Sicht hätte das Vorhaben wohl genehmigt werden können, teilte ein Sprecher mit. Allerdings wurde dem LVR schon im September von der Stiftung mitgeteilt, dass man das Konzept nicht weiter verfolgen wolle.
Interessanterweise hatte auch das Jugendamt in seiner Stellungnahme für die Beschlussvorlage im September 2020 ausgeführt, dass „das Angebot in der vorliegenden Form bis auf eine Gruppe für den sozialräumlichen Kinder- und Jugendhilfebedarf grundsätzlich als geeignet gesehen wird.“Allerdings schrieb das Jugendamt damals auch, „mit der Zustimmung der Fachstelle zur grundsätzlichen Weiterverfolgung des Projektes ist noch keine Finanzierungsbasis geschaffen.“Zudem wurde hier auch noch eine Nachschärfung bei einem Projektteil gefordert.
Dass Klaus Erkelenz erst jetzt von dem schon im September beschlossenen Aus des Wohnprojektes Kenntnis erhält, bringt den Bezirksbürgermeister auf die sprichwörtliche Palme: „Aus meiner Sicht wäre es schon im Herbst dringend geboten gewesen, dass man uns als Politik anspricht und mit uns gemeinsam überlegt, was man dort gegebenenfalls stattdessen umsetzen kann.“Eines beruhigt ihn immerhin: Eine erneute Nutzungsänderung muss erst wieder durch die BV, das hatte sich das Gremium damals zusagen lassen.