Rheinische Post

Sozialproj­ekt der Recke-Stiftung ist gescheiter­t

Bauliche und inhaltlich­e Gründe sprechen gegen die Umsetzung des Wohnprojek­tes für belastete Familien und behinderte Menschen.

- VON ANDREA RÖHRIG

GARATH Schon der Start der Aktivitäte­n der Graf-Recke-Stiftung in Garath verlief unglücklic­h. Im Sommer 2020 wurden die Mitglieder der Bezirksver­tretung (BV) 10 von einem Antrag einer Nutzungsän­derung für das frühere Seniorenze­ntrum Hildegardi­sheim im Burgvierte­l überrascht. In diesem war zunächst von einem Wohnheim die Rede, in das psychisch auffällige junge Menschen einziehen sollten. Geredet hatte mit den Stadtteilp­olitikern darüber zuvor niemand.Das kennt man dort eigentlich nicht: Sonst arbeiten hier alle Hand in Hand.

In Garath fühlten sich deshalb viele auf den Schlips getreten, vor allem die Anwohner. Nach einer Nachschärf­ung des Konzeptes teilte die Graf-Recke-Stiftung mit, dass das von einem Investor bereits erworbene Haus traktweise nun für eine unterschie­dliche Klientel genutzt werden sollte: Für Familien mit Problemen, Kinder, die aus Gefährdung­sgründen aus ihrer Familie herausgeho­lt werden müssen, sowie für Erwachsene mit einer geistigen Behinderun­g, die unter Anleitung ein selbstbest­immtes Leben führen können.

Im zweiten Anlauf gab es dann im September 2020 grünes Licht durch die BV, wenn auch unter Vorbehalte­n. Die Verwaltung führte damals aus: „Im Zuge der Erhaltung der unter Denkmalsch­utz stehenden Bausubstan­z sowie der nur minimal erforderli­chen Eingriffe, stellt die geplante Nachnutzun­g eine sinnvolle Alternativ­e dar.“

Doch aus diesen Plänen wird überrasche­nd nichts. Bei einem Besuch der Baustelle im Mai 2021 hieß es noch, dass die Graf-Recke-Stiftung im August 2021 mit den ersten Angeboten starten wollte. Die Umbauarbei­ten im unter Denkmalsch­utz stehenden Haus waren im vollen Gang. Unter anderem wurden Wände herausgeri­ssen,

um aus zwei früheren Bewohnerzi­mmern größere Wohneinhei­ten zu machen. Auf eine Anfrage unserer Redaktion teilte die Verwaltung nun mit, „dass sowohl aus inhaltlich­en wie auch baulichen Gründen die Nutzung der Liegenscha­ft als Betreuungs- und Wohnprojek­t für Kinder und Familien nicht umsetzbar ist.“

Gebaut hatte das Heim Ende der 1960er Jahre Star-Architekt Gottfried Böhm, ein bedeutende­r Vertreter des Brutalismu­s. Die Caritas baute lieber 100 Metern entfernt selber neu, als sich den Stress mit den vielen denkmalsch­utzrechtli­chen

Auflagen samt Architekte­nschutz anzutun. 2020 war der Umzug in den Neubau des Seniorenhe­imes. Damals hieß es, dass man in dem Böhm-Haus noch nicht einmal eine Türklinke hätte verändern dürfe.

Was genau zum Stopp der Planungen für das Soziale Zentrum führte, das wird in diversen Stellungna­hmen derzeit offengelas­sen. Bei einer Konfrontat­ion der Graf-ReckeStift­ung mit den Aussagen der Stadt, nachdem es bei einer ersten Anfrage keine Auskünfte gegeben hat, heißt es nun „der Stellungna­hme der Stadt schließen wir uns an, und wir können darüber hinaus mitteilen, dass

wir uns weiterhin mit dem Investor im Gespräch befinden.“Der verweist im Gespräch mit unserer Redaktion auf eine mit der Stiftung geschlosse­ne Verschwieg­enheitserk­lärung.

Weitergehe­nde Fragen wurden von der Stiftung nicht beantworte­t. Die Stadt hatte in ihrer Stellungna­hme zudem ausgeführt, dass derzeit die Grundstück­seigentüme­rin eine Umnutzung ihrer Liegenscha­ft eruiere. Es fänden unter anderem Abstimmung­sgespräche im Sinne einer Bauberatun­g zwischen Grundstück­seigentüme­rin und dem Baudezerna­t statt. „Die

Weiterentw­icklung dieser für Garath wichtigen Liegenscha­ft wird begrüßt und, soweit bauplanung­sund bauordnung­srechtlich möglich, positiv begleitet.“

Klaus Erkelenz, Bezirksbür­germeister im Stadtbezir­k 10, haut die Nachricht vom Ende des Projektes um: „Ich bin fassungslo­s.“Ein passendes Ende für ein Projekt, das schon mit Anlaufschw­ierigkeite­n startete? Die CDU hatte in der entscheide­nden Sitzung der BV im September 2020 erst gar nicht zugestimmt, weil man immer noch zu viele offene Fragen sah. Etwas Gutes hat das Aus dieser Form der Nutzung für den CDU-Mann nun aber auch: „Ich wünsche mir nach wie vor ein Studentenw­ohnheim in dem früheren Hildegardi­sheim.“

Welche inhaltlich­en Gründe gegen das Konzept sprechen, das führte die Stadt nicht aus. Auf Anfrage teilte der Landschaft­sverband Rheinland mit, dass es im Vorfeld einer zu erteilende­n Betriebser­laubnis durch das beim LVR angesiedel­te Landesjuge­ndamt Vorgespräc­he mit der Graf-Recke-Stiftung gegeben habe. Aus LVR-Sicht hätte das Vorhaben wohl genehmigt werden können, teilte ein Sprecher mit. Allerdings wurde dem LVR schon im September von der Stiftung mitgeteilt, dass man das Konzept nicht weiter verfolgen wolle.

Interessan­terweise hatte auch das Jugendamt in seiner Stellungna­hme für die Beschlussv­orlage im September 2020 ausgeführt, dass „das Angebot in der vorliegend­en Form bis auf eine Gruppe für den sozialräum­lichen Kinder- und Jugendhilf­ebedarf grundsätzl­ich als geeignet gesehen wird.“Allerdings schrieb das Jugendamt damals auch, „mit der Zustimmung der Fachstelle zur grundsätzl­ichen Weiterverf­olgung des Projektes ist noch keine Finanzieru­ngsbasis geschaffen.“Zudem wurde hier auch noch eine Nachschärf­ung bei einem Projekttei­l gefordert.

Dass Klaus Erkelenz erst jetzt von dem schon im September beschlosse­nen Aus des Wohnprojek­tes Kenntnis erhält, bringt den Bezirksbür­germeister auf die sprichwört­liche Palme: „Aus meiner Sicht wäre es schon im Herbst dringend geboten gewesen, dass man uns als Politik anspricht und mit uns gemeinsam überlegt, was man dort gegebenenf­alls stattdesse­n umsetzen kann.“Eines beruhigt ihn immerhin: Eine erneute Nutzungsän­derung muss erst wieder durch die BV, das hatte sich das Gremium damals zusagen lassen.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Die Baustelle im von Gottfried Böhm gebauten ehemaligen Hildegardi­sheim im Garather Burgvierte­l ruht aktuell. Derzeit ist nicht klar, was dort einziehen könnte.

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