Akademiker wollen Kontakt halten
Der Präsident der Hochschule Rhein-Waal warnt vor völliger Isolierung Russlands.
Die Hochschule RheinWaal (HSRW) in Kleve und KampLintfort ist stolz auf ihre internationalen Beziehungen. Rund die Hälfte aller Studierenden kommen aus dem Ausland, fast 70 Prozent der Wissensvermittlung geschieht auf Englisch. „Wir leben wie kaum eine zweite Hochschule von der Internationalität“, sagt Oliver LockerGrütjen, Präsident der HSRW.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist auch für die Hochschule am Niederrhein eine Tragödie. 34 Studierende kommen aus der Ukraine, 84 aus Russland. Zugleich pflegt die HSRW enge Beziehungen zur Biotechnologie-Universität im umkämpften Charkiw und zu wichtigen Hochschulen in Moskau und St. Petersburg. „Wir haben viele gemeinsame Projekte, die jetzt erst einmal auf Eis liegen“, klagt Locker-Grütjen. Doch das könne nicht der Dauerzustand sein. „Wir brauchen auf Sicht den wissenschaftlichen Austausch mit allen Ländern, auch mit Russland und besonders auch wieder mit der Ukraine“, meint der Hochschulmanager. Ein Ende der Beziehungen, so Locker-Grütjen, wäre eine Katastrophe.
Und die sei fast schon eingetreten, wenn man auf die jüngste Erklärung der russischen Hochschulrektoren schaue. Das Kollegium der Uni-Präsidenten, der deutschen Hochschulrektorenkonferenz vergleichbar, stützt nämlich den Kurs Wladimir Putins. „In diesen Tagen ist es sehr wichtig, unser Land, unsere Armee, die unsere Sicherheit verteidigt, zu unterstützen, unseren Präsidenten zu unterstützen, der die vielleicht schwierigste Entscheidung seines Lebens getroffen hat, eine hart erkämpfte, aber notwendige Entscheidung“, schreiben die Vertreter der Wissenschaftsnation Russland. „Das ist natürlich ein Schlag“, meint Locker-Grütjen.
Die Schäden durch den Angriffskrieg sind schon jetzt immens. Die Gebäude der Partner-Universität in Charkiw sind schwer getroffen, berichtet der HSRW-Präsident. Ein geordneter Austausch ist hier nicht mehr möglich. Mit der russischen Seite ist der Kontakt eingefroren. Die Wissenschaftsorganisationen und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) haben alle Kooperationen mit Russland auf Eis gelegt.
Die meisten Akteure der deutschen Wissenschaft sind aktuell mit der Isolierung Russlands einverstanden, erwarten aber auch eine ausgesprochen differenzierte Betrachtung der Situation. „Auch ich verurteile das Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine. Es ist klar, wer hier der Schuldige ist“, meint der HSRWPräsident. Allerdings sieht er bei einer Sanktionsspirale gerade auf dem Gebiet der Wissenschaft eine große Gefahr für die künftigen Beziehungen. „Die Wissenschaft ist der letzte Strohhalm für Kontakte. Denn beide Seiten sind hier vorrangig an der Sache orientiert“, wendet LockerGrütjen ein.
Der wissenschaftliche Austausch Deutschlands mit Russland ist seit Beginn der 90er-Jahre so intensiv geworden, dass ein abruptes Ende auch schwierig ist. „Da sind belastbare Beziehungen entstanden, die vor allem wissenschaftlich orientiert sind“, findet der Klever Hochschulpräsident. Darauf will der HSRWChef aufbauen.