Lindner hält an Schuldenbremse fest
Der Minister will die Neuverschuldung 2022 auf knapp 100 Milliarden Euro deckeln.
Die Antwort auf die Frage, wie es möglich sein soll, die von Christian Lindner vorgegebenen Schuldenziele noch zu erreichen, lautet „Sondervermögen“. Den Gesetzentwurf will der Bundesfinanzminister kommende Woche mit dem aktualisierten Haushaltsplan 2022, den Etat-Eckwerten für 2023 und den Eckwerten der Planung bis 2026 vorlegen. Der 100-Milliarden-Sondertopf für die Bundeswehr soll allein Verteidigungsausgaben dienen, die Zweckbindung soll ins Grundgesetz. Der Topf soll auch nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden, was die Einhaltung der Verfassungsregel ab 2023 erleichtern soll.
Lindners Haushaltspläne könnten sich durch den Ukraine-Krieg jedoch bald nach dem Kabinettsbeschluss am 16. März als obsolet erweisen. Neue Unsicherheit bringen Fluchtbewegungen aus der Ukraine. Noch weiß niemand, wie viele Menschen nach Deutschland kommen und wie lange sie bleiben. Die Geflüchteten erhalten Sozialhilfe und Gesundheitsversorgung vom Bund. Würde eine halbe Million Geflüchtete ein Jahr bleiben, kostete das den Bund etwa fünf Milliarden Euro. Unterbringung und Versorgung zahlen die Länder, doch die rufen bereits nach der Hilfe des Bundes. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz kommende Woche wollen die Länderchefs das Thema ansprechen.
Lindner hat den Grünen im Gegenzug für deren Unterstützung für das Bundeswehr-Sondervermögen zudem ein 200-Milliarden-Euro-Paket für Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft bis 2026 zugesagt. Die Grünen sprechen von einer Aufstockung der Mittel, bei näherem Hinsehen hält sich diese jedoch in Grenzen. Bereits bisher waren in der Finanzplanung bis 2026 Ausgaben von 115 Milliarden Euro aus dem Transformations- und Klimafonds (TKF) vorgesehen. Diese Summe wird um 85 Milliarden Euro aufgestockt, wobei 60 Milliarden aus ungenutzten Corona-Krediten im Nachtragshaushalt 2021 schon bekannt waren. Die restlichen Milliarden stammen aus Mehreinnahmen aus dem Europäischen Emissionshandel, die in den TKF fließen.
„Die Begrenzung der Nettokreditaufnahme auf 100 Milliarden Euro war schon vor der Invasion Russlands in die Ukraine illusorisch“, sagte der haushaltspolitische CDUSprecher Christian Haase: „Fakt ist, dass Bundesfinanzminister Lindner – ohne einen regulären Haushalt bisher überhaupt eingebracht zu haben – bereits 260 Milliarden Euro neue Schulden zu verantworten hat. Dabei bedient er sich der zügellosen Nutzung von Schattenhaushalten beziehungsweise Sondervermögen. Es wurde mit 160 Milliarden Euro bisher in zwei Sondervermögen noch nie so viel Geld am Bundeshaushalt vorbei gebunkert“, sagte Haase. 2022 sei „ein verfassungswidriges Agieren wie beim Nachtragshaushalt 2021“nicht ausgeschlossen. Die Ampel könnte im Herbst wie schon 2021 einen Nachtragshaushalt mit mehr Schulden auflegen, da die Schuldenbremse 2022 noch ausgesetzt ist.
Hinzu kommen die steigenden Energiepreise. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat bereits ein zweites Entlastungspaket für Bürger und Unternehmen angedeutet, Lindner will es aber vorerst noch beim ersten Entlastungspaket mit einem Volumen von rund 15 Milliarden Euro belassen. Am Mittwoch erst beschloss das Kabinett die Streichung der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms. Der Wegfall der Umlage ist ein wesentlicher Bestandteil des Entlastungspakets. „Falls es zu einer Unterbrechung der Gas- und Öllieferungen aus Russland kommt oder der Krieg sich ausweitet, kann es zu einem wirtschaftlichen Einbruch kommen, der dann eine höhere Kreditaufnahme erfordert“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest.