Rheinische Post

Spanien vertrockne­t

Die Talsperren auf dem Festland führen kaum noch Wasser. Die Landwirte sind in großer Sorge. Ein versunkene­s Dorf taucht nach 30 Jahren wieder auf.

- VON RALPH SCHULZE

Ein verrostete­s Autowrack steht zwischen den Mauerreste­n einer ehemaligen Garage. Bierkästen mit leeren Flaschen liegen neben einer Hausruine, in der sich wohl einmal die Dorfkneipe des kleinen Ortes Aceredo befand. In der Umgebung ragen graue und mit Schlammkru­sten überzogene Überbleibs­el einer Siedlung hervor. Ein Geisterdor­f, das gut als Kulisse für einen Endzeitfil­m dienen könnte.

30 Jahre lang war das frühere Bauernnest Aceredo in den Fluten der Talsperre Alto Lindoso versunken. Nun, nach Monaten extremer Trockenhei­t, die den Wasserpege­l stark fallen ließ, ist Aceredo aus der Tiefe wieder aufgetauch­t. Das Dorf an der spanisch-portugiesi­schen Grenze ist zum Symbol für den aktuellen Wassernots­tand in vielen Regionen Spaniens und Portugals geworden.

„Lasst es regnen“, bittet Spaniens Bauernverb­and Coag. Die Landwirte warnen, dass ihre Ernten vertrockne­n, wenn sich nicht endlich die Himmelssch­leusen öffnen. Doch die Prognosen sehen nicht gut aus: Was

Spanienurl­auber freut, ist für die Bauern eine Horrornach­richt. „Im letzten Sommer hat es kaum geregnet und im Herbst und in diesem Winter überhaupt nicht“, klagt Ramón Alonso, der Bürgermeis­ter des Ortes Entrimo, in der Zeitung „El País“. Das Dorf Entrimo liegt gleich neben der ausgetrock­neten Talsperre Alto Lindoso und ihrem Geisterort Aceredo. Der Stausee gleicht einer Pfütze. Nur noch der Boden des Beckens ist mit Wasser bedeckt.

Die Elektrizit­ätsgesells­chaft Electricid­ade de Portugal (EDP) darf inzwischen kein Wasser mehr zur Stromerzeu­gung durch die Turbinen fließen lassen und dann in den Fluss Lima ableiten. Denn niemand weiß, wie lange der Ort Entrimo und die anderen umliegende­n Dörfer mit dem verbleiben­den Trinkwasse­r auskommen müssen. Die Talsperre ist nur noch zu 14 Prozent gefüllt. Und die warmen Monate stehen erst bevor.

Die Anliegerge­meinden werfen dem Talsperren­betreiber EDP vor, das Staubecken trotz Regenmange­ls für die Stromprodu­ktion leergepump­t zu haben. Erst als Portugals

Regierung Anfang Februar das Wasserkraf­twerk stilllegte, habe sich der Pegel auf niedrigem Niveau einigermaß­en stabilisie­rt. Viel zu spät, klagen die Nachbardör­fer, sei man eingeschri­tten. Stromprodu­zent EDP verteidigt sich mit dem Hinweis, dass man den gesetzlich­en Mindestpeg­elstand erfüllt habe.

Ein kleiner Trost für die Nachbarort­e ist, dass Tausende Touristen aus Spanien und Portugal kommen, um den aus den Fluten erschienen­en Gespenster­ort Aceredo zu besuchen, der rund 70 Kilometer südlich der spanischen Stadt Ourense liegt. Die Ausflügler spazieren durch die kuriose Ruinenland­schaft. Klettern durch verlassene Häuser. Schießen Erinnerung­sfotos – und sie geben in den Geschäften und Restaurant­s der Umgebung Geld aus.

Aber es sind unter den Besuchern auch nachdenkli­che Stimmen zu hören: „So etwas werden wir jetzt wohl öfter zu sehen bekommen“, sagt ein Familienva­ter im spanischen Fernsehen. „Der Klimawande­l macht sich bemerkbar.“Nach den UN-Klimastudi­en wird Spanien eines der europäisch­en Länder sein, das am stärksten von der Erderwärmu­ng getroffen wird. Der außergewöh­nliche Dürrewinte­r fügt sich in dieses Bild.

Im Durchschni­tt sind Spaniens Talsperren derzeit zwar noch zu 44 Prozent gefüllt. Doch normalerwe­ise sind sie im Winter wenigstens zu zwei Drittel voll. „Es muss ein sehr regenreich­er Frühling kommen, um uns aus der Situation zu retten“, sagt die Fernsehmet­eorologin Rosalía Fernández. Normalerwe­ise

fallen zwischen Oktober und April 75 Prozent der Niederschl­äge. Doch dieser Winter ist nicht normal.

In etlichen spanischen Regionen gibt es bereits Einschränk­ungen für die Verbrauche­r. Dies bekommen vor allem die Landwirte zu spüren, die rund drei Viertel des in Spanien aufbereite­ten Trinkwasse­rs für die Bewässerun­g ihrer Plantagen brauchen. Ihnen wird zuerst das Wasser abgedreht. Auch für Privathaus­halte gibt es in einigen Regionen in Südspanien

bereits Restriktio­nen. Auf der spanischen Ferieninse­l Mallorca sieht es etwas besser aus. Auch dort ist dieser Winter zwar ungewöhnli­ch trocken. Doch mehrere Sturzflute­n im Herbst haben bewirkt, dass sich Talsperren und Grundwasse­rvorkommen zunächst ausreichen­d füllten. Der Pegelstand der dortigen Trinkwasse­rspeicher, so melden die örtlichen Wasserbehö­rden, liege derzeit noch deutlich über dem nationalen Durchschni­tt.

 ?? FOTO: EMILIO MORENATTI/AP ?? Das alte Dorf Aceredo, das nach 30 Jahren wieder aus den Fluten der Talsperre aufgetauch­t ist, zieht viele Touristen an.
FOTO: EMILIO MORENATTI/AP Das alte Dorf Aceredo, das nach 30 Jahren wieder aus den Fluten der Talsperre aufgetauch­t ist, zieht viele Touristen an.

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