Teurer Dünger treibt Lebensmittelpreise
Landwirte und Fleischverarbeiter ächzen unter der Inf lation und sorgen sich vor dem Sommer. Der Bund will Agrarf lächen freigeben.
Speiseöl, Mehl, Getreideprodukte – seit Beginn des Krieges in der Ukraine führt nicht nur die steigende Nachfrage nach bestimmten Lebensmitteln zu Lücken in den Supermarktregalen, auch die Preise legen zu. Und der Trend setzt sich fort: Die Handelskette Aldi kündigte eine Preissteigerung für diesen Montag an. Betroffen sind vor allem Fleischwaren und Butter. „Seit Beginn des Ukraine-Krieges gibt es Sprünge bei den Einkaufspreisen, die wir so noch nicht erlebt haben“, sagte Aldi-Nord-Kommunikationschef Florian Scholbeck. Nach einer unlängst publizierten Befragung des Ifo-Instituts planen fast alle Firmen aus dem deutschen Nahrungsmitteleinzelhandel Preiserhöhungen. Als Grund geben die Unternehmen vor allem gestiegene Kosten für Futter, Dünger und Energie an.
Das bekommen auch die Landwirte und die fleischverarbeitende Industrie zu spüren. Vor allem die Versorgung mit Düngemitteln bereitet Branchenvertretern Sorge. Normalerweise kämen rund 35 Millionen Tonnen Dünger aus Russland und der Ukraine, sagte Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes: „Die sind im Moment einfach nicht vorhanden. Und bei den aktuellen Energiekosten können Düngerhersteller in Europa im Sommer nur noch zu Preisen produzieren, die für Landwirte womöglich gar nicht mehr zu bezahlen sind.“
Darüber hinaus machen die Dieselkosten den landwirtschaftlichen Betrieben zu schaffen. „Im Einkauf hat uns der Diesel netto früher einen Euro pro Liter gekostet, jetzt sind es fast zwei Euro“, so Conzen. Die von der Bundesregierung beschlossenen 14 Cent Entlastung pro Liter seien „ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Um der Teuerung bei den Lebensmitteln entgegenzuwirken, plant Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), Agrarflächen, die aus ökologischen Gründen eigentlich nicht bewirtschaftet werden sollen, in diesem Jahr ausnahmsweise zur Beweidung freizugeben. Gras und Pflanzen von bestimmten „ökologischen Vorrangflächen“sollen als Futter genutzt werden dürfen. Bei einem Treffen mit den Agrarministern der Länder wehrte sich Özdemir aber dagegen, auf den Flächen etwa auch Pflanzenschutzmittel einzusetzen oder Getreide anzubauen. Einigen Ländern geht das nicht weit genug. Nach Informationen unserer Redaktion sprach sich der Agrarausschuss des Bundesrats dafür aus, Brachen für den Anbau von Nahrungsmitteln freizugeben und auf diesen Flächen auch die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu erlauben. Der Antrag war von den Ländern mit unionsgeführten Landwirtschaftsministerien eingebracht worden.
Nach Conzens Worten müssen sich die Verbraucher derweil auf weitere Preissteigerungen einstellen. Deutschland habe immer die billigsten Lebensmittel in Europa gehabt. Das werde sich nun ändern. Sorgen, dass die Nahrungsmittel knapp werden, müsse man sich aber nicht machen, hieß es beim Einzelhandelsverband HDE. „Wir haben in Deutschland überhaupt keine Lebensmittelknappheit, weil wir in ganz vielen Bereichen mehr produzieren, als wir selber verbrauchen“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Allerorts beobachtbare „Hamsterkäufe“stießen daher auf Unverständnis bei den Verbänden.