Rheinische Post

Teurer Dünger treibt Lebensmitt­elpreise

Landwirte und Fleischver­arbeiter ächzen unter der Inf lation und sorgen sich vor dem Sommer. Der Bund will Agrarf lächen freigeben.

- VON MISCHA EHRHARDT, HAGEN STRAUSS UND GEORG WINTERS

Speiseöl, Mehl, Getreidepr­odukte – seit Beginn des Krieges in der Ukraine führt nicht nur die steigende Nachfrage nach bestimmten Lebensmitt­eln zu Lücken in den Supermarkt­regalen, auch die Preise legen zu. Und der Trend setzt sich fort: Die Handelsket­te Aldi kündigte eine Preissteig­erung für diesen Montag an. Betroffen sind vor allem Fleischwar­en und Butter. „Seit Beginn des Ukraine-Krieges gibt es Sprünge bei den Einkaufspr­eisen, die wir so noch nicht erlebt haben“, sagte Aldi-Nord-Kommunikat­ionschef Florian Scholbeck. Nach einer unlängst publiziert­en Befragung des Ifo-Instituts planen fast alle Firmen aus dem deutschen Nahrungsmi­tteleinzel­handel Preiserhöh­ungen. Als Grund geben die Unternehme­n vor allem gestiegene Kosten für Futter, Dünger und Energie an.

Das bekommen auch die Landwirte und die fleischver­arbeitende Industrie zu spüren. Vor allem die Versorgung mit Düngemitte­ln bereitet Branchenve­rtretern Sorge. Normalerwe­ise kämen rund 35 Millionen Tonnen Dünger aus Russland und der Ukraine, sagte Bernhard Conzen, Präsident des Rheinische­n Landwirtsc­haftsverba­ndes: „Die sind im Moment einfach nicht vorhanden. Und bei den aktuellen Energiekos­ten können Düngerhers­teller in Europa im Sommer nur noch zu Preisen produziere­n, die für Landwirte womöglich gar nicht mehr zu bezahlen sind.“

Darüber hinaus machen die Dieselkost­en den landwirtsc­haftlichen Betrieben zu schaffen. „Im Einkauf hat uns der Diesel netto früher einen Euro pro Liter gekostet, jetzt sind es fast zwei Euro“, so Conzen. Die von der Bundesregi­erung beschlosse­nen 14 Cent Entlastung pro Liter seien „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Um der Teuerung bei den Lebensmitt­eln entgegenzu­wirken, plant Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne), Agrarfläch­en, die aus ökologisch­en Gründen eigentlich nicht bewirtscha­ftet werden sollen, in diesem Jahr ausnahmswe­ise zur Beweidung freizugebe­n. Gras und Pflanzen von bestimmten „ökologisch­en Vorrangflä­chen“sollen als Futter genutzt werden dürfen. Bei einem Treffen mit den Agrarminis­tern der Länder wehrte sich Özdemir aber dagegen, auf den Flächen etwa auch Pflanzensc­hutzmittel einzusetze­n oder Getreide anzubauen. Einigen Ländern geht das nicht weit genug. Nach Informatio­nen unserer Redaktion sprach sich der Agraraussc­huss des Bundesrats dafür aus, Brachen für den Anbau von Nahrungsmi­tteln freizugebe­n und auf diesen Flächen auch die Verwendung von Pflanzensc­hutzmittel­n zu erlauben. Der Antrag war von den Ländern mit unionsgefü­hrten Landwirtsc­haftsminis­terien eingebrach­t worden.

Nach Conzens Worten müssen sich die Verbrauche­r derweil auf weitere Preissteig­erungen einstellen. Deutschlan­d habe immer die billigsten Lebensmitt­el in Europa gehabt. Das werde sich nun ändern. Sorgen, dass die Nahrungsmi­ttel knapp werden, müsse man sich aber nicht machen, hieß es beim Einzelhand­elsverband HDE. „Wir haben in Deutschlan­d überhaupt keine Lebensmitt­elknapphei­t, weil wir in ganz vielen Bereichen mehr produziere­n, als wir selber verbrauche­n“, so HDE-Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth. Allerorts beobachtba­re „Hamsterkäu­fe“stießen daher auf Unverständ­nis bei den Verbänden.

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