Rheinische Post

DieEUund der neue Kalte Krieg

- VON GREGOR MAYNTZ

Wer sich angesichts der dauernden schlechten Nachrichte­n nach wohltuende­r Beruhigung sehnte, konnte beim EU-China-Gipfel fündig werden. Auch Peking wolle mit der Europäisch­en Union zusammen „konstrukti­v“dabei helfen, die Lage in der Ukraine zu „entspannen“, verlautete anschließe­nd als Ergebnis aus dem Reich der Mitte. Klingt es nicht verheißung­svoll, wenn China, das eben noch eine „grenzenlos­e“Partnersch­aft mit Russland bekundete, nun dafür eintritt, die Feindselig­keiten einzustell­en und zum Frieden zurückzuke­hren? Kann sich also der sozialdemo­kratische Fraktionsc­hef Rolf Mützenich durch den virtuellen Gipfel zwischen Brüssel und Peking bestätigt sehen? Er hatte analysiert, das Scheitern des Projekts „Wandel durch Handel“in Russland bedeute nicht, dass das auch für China gelte.

Doch können auch die nettesten Formulieru­ngen nicht darüber hinwegtäus­chen, dass sich die geopolitis­che Lage zunehmend verhärtet. Die Welt sieht aus Asien anders aus als aus Europa. So wie es im Westen inzwischen als naiv gilt, das Vorgehen Russlands auf der Krim nicht zum Maßstab für das gemacht zu haben, was der Ukraine droht, sollte es keine Naivität bei der Betrachtun­g Chinas geben. Der Umgang mit Taiwan und Hongkong spricht Bände. Auch bei Minderheit­en und Menschenre­chten hat jahrzehnte­langer Handel keinerlei Wandel bewirken können. Warum sollte er es, wenn die wirtschaft­liche, militärisc­he und geopolitis­che Entwicklun­g China immer selbstbewu­sster, ja beherrsche­nder auftreten lässt?

Die Europäisch­e Union ist gefangen in ihrer Erfahrung, dass der erste Kalte Krieg mit dem Sieg des demokratis­chen Systems westlicher Prägung endete. Der sich entwickeln­de zweite Kalte Krieg droht den gegenteili­gen Ausgang zu nehmen. Deshalb braucht die EU einen Wandel der Wahrnehmun­g.

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