DieEUund der neue Kalte Krieg
Wer sich angesichts der dauernden schlechten Nachrichten nach wohltuender Beruhigung sehnte, konnte beim EU-China-Gipfel fündig werden. Auch Peking wolle mit der Europäischen Union zusammen „konstruktiv“dabei helfen, die Lage in der Ukraine zu „entspannen“, verlautete anschließend als Ergebnis aus dem Reich der Mitte. Klingt es nicht verheißungsvoll, wenn China, das eben noch eine „grenzenlose“Partnerschaft mit Russland bekundete, nun dafür eintritt, die Feindseligkeiten einzustellen und zum Frieden zurückzukehren? Kann sich also der sozialdemokratische Fraktionschef Rolf Mützenich durch den virtuellen Gipfel zwischen Brüssel und Peking bestätigt sehen? Er hatte analysiert, das Scheitern des Projekts „Wandel durch Handel“in Russland bedeute nicht, dass das auch für China gelte.
Doch können auch die nettesten Formulierungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die geopolitische Lage zunehmend verhärtet. Die Welt sieht aus Asien anders aus als aus Europa. So wie es im Westen inzwischen als naiv gilt, das Vorgehen Russlands auf der Krim nicht zum Maßstab für das gemacht zu haben, was der Ukraine droht, sollte es keine Naivität bei der Betrachtung Chinas geben. Der Umgang mit Taiwan und Hongkong spricht Bände. Auch bei Minderheiten und Menschenrechten hat jahrzehntelanger Handel keinerlei Wandel bewirken können. Warum sollte er es, wenn die wirtschaftliche, militärische und geopolitische Entwicklung China immer selbstbewusster, ja beherrschender auftreten lässt?
Die Europäische Union ist gefangen in ihrer Erfahrung, dass der erste Kalte Krieg mit dem Sieg des demokratischen Systems westlicher Prägung endete. Der sich entwickelnde zweite Kalte Krieg droht den gegenteiligen Ausgang zu nehmen. Deshalb braucht die EU einen Wandel der Wahrnehmung.