Rheinische Post

Bidens Öl-Wette

Die USA geben angesichts steigender Preise so viel Öl aus der strategisc­hen Reserve frei wie nie zuvor.

- VON THOMAS SPANG

Die Kriegsbild­er aus der Ukraine im Fernsehen findet Grace einfach nur „schrecklic­h“. Wie es die Pensionäri­n auch schmerzt, Mütter und Kinder auf der Flucht zu sehen. Dass dies etwas mit dem Preisschoc­k an der Tankstelle zu tun haben soll, wenn sie ihren SUV auffüllt, glaubt sie allerdings nicht. „Biden ruiniert unser Land“, beschwert sich die wohlhabend­e Republikan­erin, die in South Carolina lebt.

Nicht nur im konservati­ven Süden der USA denken die Amerikaner so. Die Kombinatio­n aus der höchsten Inflation seit 40 Jahren und stark gestiegene­n Benzinprei­sen lässt Präsident Joe Bidens Umfragewer­te auf ein Rekordtief sinken. In einer aktuellen NBC-Umfrage zeigen sich nur noch 40 Prozent der Amerikaner mit seiner Amtsführun­g zufrieden.

Das ist der innenpolit­ische Hintergrun­d, vor dem Präsident Biden jetzt so tief in die Strategisc­he Ölreserve greift wie nie zuvor in der Geschichte: In den kommenden 180 Tagen werden die Vereinigte­n Staaten jeden Tag eine Million Barrel aus den Lagern freigeben. „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, Sie vor Putins Preisansti­eg zu schützen“, sagte der Präsident in einer Ansprache an seine Landsleute.

„Das sind nicht Putins Preise. Das sind Bidens Preise“, hält der Minderheit­sführer der Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus, Kevin McCarthy, dagegen. Der Gefolgsman­n Donald Trumps wittert, wie der Rest seiner Partei, die Chance, bei den anstehende­n Zwischenwa­hlen im November politische­s Kapital aus dem Frust der Amerikaner zu schlagen.

Als Biden vergangene­n Monat USSanktion­en gegen russisches Öl und Gas ankündigte, überschätz­te er die Bereitscha­ft der Republikan­er, an einem Strang gegen Putin zu ziehen. Dieselbe Erfahrung machte der USPräsiden­t mit den Verbündete­n im Mittleren Osten, die seine Appelle weitgehend ignorierte­n, die Ölprodukti­on zu steigern.

Während die Ölpreise auf dem Weltmarkt unmittelba­r nach Bidens Ankündigun­g um sieben Prozent fielen, bezweifeln viele Energiemar­ktExperten, dass der Griff in die Strategisc­he Ölreserve einen nachhaltig­en Effekt haben wird. „Das RusslandPr­oblem ist zu groß, um es durch die strategisc­he Ölreserve zu lösen“, meint etwa Bob McNally, der US-Präsident George W. Bush in Energiefra­gen beraten hatte.

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FOTO: SEMANSKY/AP US-Präsident Joe Biden am Freitag im Weißen Haus.

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