Bidens Öl-Wette
Die USA geben angesichts steigender Preise so viel Öl aus der strategischen Reserve frei wie nie zuvor.
Die Kriegsbilder aus der Ukraine im Fernsehen findet Grace einfach nur „schrecklich“. Wie es die Pensionärin auch schmerzt, Mütter und Kinder auf der Flucht zu sehen. Dass dies etwas mit dem Preisschock an der Tankstelle zu tun haben soll, wenn sie ihren SUV auffüllt, glaubt sie allerdings nicht. „Biden ruiniert unser Land“, beschwert sich die wohlhabende Republikanerin, die in South Carolina lebt.
Nicht nur im konservativen Süden der USA denken die Amerikaner so. Die Kombination aus der höchsten Inflation seit 40 Jahren und stark gestiegenen Benzinpreisen lässt Präsident Joe Bidens Umfragewerte auf ein Rekordtief sinken. In einer aktuellen NBC-Umfrage zeigen sich nur noch 40 Prozent der Amerikaner mit seiner Amtsführung zufrieden.
Das ist der innenpolitische Hintergrund, vor dem Präsident Biden jetzt so tief in die Strategische Ölreserve greift wie nie zuvor in der Geschichte: In den kommenden 180 Tagen werden die Vereinigten Staaten jeden Tag eine Million Barrel aus den Lagern freigeben. „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, Sie vor Putins Preisanstieg zu schützen“, sagte der Präsident in einer Ansprache an seine Landsleute.
„Das sind nicht Putins Preise. Das sind Bidens Preise“, hält der Minderheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, dagegen. Der Gefolgsmann Donald Trumps wittert, wie der Rest seiner Partei, die Chance, bei den anstehenden Zwischenwahlen im November politisches Kapital aus dem Frust der Amerikaner zu schlagen.
Als Biden vergangenen Monat USSanktionen gegen russisches Öl und Gas ankündigte, überschätzte er die Bereitschaft der Republikaner, an einem Strang gegen Putin zu ziehen. Dieselbe Erfahrung machte der USPräsident mit den Verbündeten im Mittleren Osten, die seine Appelle weitgehend ignorierten, die Ölproduktion zu steigern.
Während die Ölpreise auf dem Weltmarkt unmittelbar nach Bidens Ankündigung um sieben Prozent fielen, bezweifeln viele EnergiemarktExperten, dass der Griff in die Strategische Ölreserve einen nachhaltigen Effekt haben wird. „Das RusslandProblem ist zu groß, um es durch die strategische Ölreserve zu lösen“, meint etwa Bob McNally, der US-Präsident George W. Bush in Energiefragen beraten hatte.