Ein ferner Krieg um Schafweiden
Vor 40 Jahren besetzte Argentinien die Falklandinseln, Großbritannien schickte Bomber und Schlachtschiffe. Der Konflikt löste eine ungeahnte patriotische Begeisterung im Königreich aus.
Die Invasion erfolgte in den frühen Morgenstunden. Vor 40 Jahren, am 2. April 1982, besetzten rund 2000 argentinische Marineinfanteristen und Fallschirmjäger ohne vorherige offizielle Kriegserklärung die Falklandinseln. Sie hatten leichtes Spiel. Die britischen Kolonialherren waren auf der unwirtlichen Inselgruppe im Südatlantik mit nur 81 Soldaten vertreten, die angesichts der Übermacht keine andere Wahl als die Kapitulation hatten. Der argentinische Junta-Führer Leopoldo Galtieri erklärte in Buenos Aires, dass die „Malvinas“wieder zum Heimatland zurückgekehrt seien. In London dagegen herrschte Alarm. Die Würfel waren gefallen für den letzten Kolonialkrieg des britischen Königreichs.
Zu wem die Falklandinseln, dieser windzersauste, verregnete Archipel, der außer Schafweiden wenig zu bieten hatte, letztlich gehören, ist seit Jahrhunderten umstritten. Die Engländer hatten sie 1592 entdeckt, die Franzosen erstmals kolonisiert, die Spanier zwischendurch besessen und die Briten im 19. Jahrhundert wieder zurückerobert. Argentinien hingegen beanspruchte die „Malvinas“als spanisches Erbe und geografischen Teil der argentinischen Nation. London stellte sich auf den Standpunkt, dass eine Abtretung der Falklandinseln nur mit der Zustimmung der einheimischen Bevölkerung möglich sei. Von den rund 1800 Einwohnern im Jahr 1982 wünschte aber die große Mehrheit den Verbleib im Vereinigten Königreich.
Die damalige Premierministerin Margaret Thatcher war fest entschlossen, die Inseln zurückzuerobern. Schon drei Tage nach der Invasion setzte sich ein britisches Geschwader mit 36 Kriegsschiffen in Bewegung. Rund 13.000 Kilometer Seeweg, eine Reise von knapp drei Wochen, lag vor ihnen. In der Zwischenzeit begannen die diplomatischen Verhandlungen unter Vermittlung der USA. Die Bemühungen des amerikanischen Außenministers Alexander Haig, Argentinien zum Rückzug zu bewegen, zerschlugen sich am 30. April. Britische Bomber griffen die Hauptstadt Port Stanley an, das U-Boot „HMS Conqueror“versenkte am 2. Mai das argentinische Kriegsschiff „General Belgrano“.
Der Zwischenfall löste weltweites Entsetzen aus, weil sich der Kreuzer auf dem Rückzug von den Falklands befand und sein Untergang 368 argentinische Seeleute das Leben kostete. Die Junta schlug zurück mit der Versenkung des Zerstörers „Sheffield“durch Exocet-Raketen. Am 21. Mai gelang den Briten die Landung von 5000 Mann bei Port San Carlos. Von da an wendete sich das Blatt. Nach der Schlacht von Goose Green sahen die Argentinier ein, dass der Kampf aussichtslos war. Am 15. Juni kapitulierte der argentinische General Menéndez, die Briten machten 14.800 Kriegsgefangene. In Buenos Aires kam es zu wütenden Demonstrationen gegen die Junta, die zum Sturz von General Galtieri führten.
Die Bilanz dieses letzten britischen Kolonialkrieges: 256 Tote auf britischer, 712 Mann auf argen tinischer Seite. Die briti sche Flotte verlor zwei Zerstörer, zwei Fregatten und zahlreiches Fluggerät. Die Argentinier büßten mehr als die Hälfte ihrer Angriffsluftwaffe ein. Rund
1,5 Milliarden Pfund kostete die Briten der
Krieg um die Schafweiden im Südatlantik. Aber er hatte, so der damalige Verteidigungsminister John Nott, „Großbritannien zu einer selbstbewussteren Nation“gemacht.
Das mag wohl auch der Grund gewesen sein, warum Britannien sich auf dieses Abenteuer einließ. Der Falkland-Krieg löste eine ungeahnte patriotische Begeisterung im Königreich aus, und der Sieg machte Margaret Thatcher so populär wie nie zuvor und selten danach. Ein „goldenes Zeitalter des Thatcherismus“folgte, die „Eiserne Lady“blieb noch weitere acht Jahre bis 1990 an der Macht.
Das Blutvergießen hätte abgewendet werden können. Die Briten wussten schon frühestens seit Dezember 1981 von den argentinischen Plänen – immerhin kam Galtieri zur Macht mit dem Versprechen, die Malvinas heimzuholen. Aber die Truppen auf den Inseln wurden nicht verstärkt. Den Einwohnern wurde die volle britische Staatsbürgerschaft vorenthalten. Dagegen zog man die „HMS Endurance“ab, das einzige Kriegsschiff, das die Falklands beschützte, was, wie Kritiker meinen, geradezu auf eine Einladung an die Militärs in Buenos Aires hinauslief.
Der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges verglich den Konflikt mit dem Streit zweier Glatzköpfiger um einen Kamm. Der amerikanische Außenminister Alexander Haig konnte nicht begreifen, warum irgendjemand wegen eines „vergessenen Pickels am Hintern der Weltgeschichte“zu den Waffen greifen wollte. Doch die Briten denken, dass es das Blutopfer von fast 1000 Menschenleben wert war, nicht zuletzt, weil der Archipel dereinst als strategischer Brückenkopf dienen soll, wenn das Rennen um die Bodenschätze in der Antarktis beginnt.
Den Bewohnern der Falklands selbst jedenfalls hat der Krieg auf lange Sicht geholfen. Vor dem Konflikt hatte Britannien wenig Interesse an den Inseln und dem Wohlergehen der Untertanen gezeigt. Nach der Rückeroberung begann ein wirtschaftlicher Boom. Mit der Ausweitung der Fischereizone auf 150 Meilen können die Insulaner jetzt saftige Lizenzgelder für den Tintenfischfang einstreichen. Das Pro-KopfEinkommen auf der Insel liegt weit höher als im Mutterland und macht die mittlerweile rund 3500 Einwohner zu den statistisch reichsten Briten. Und Ölfunde vor der Küste – bis zu 60 Milliarden Barrel Erdöl werden in dem Gebiet vermutet – lassen die Falkländer von einer paradiesischen Zukunft träumen.
Kein Wunder, dass sich 99,8 Prozent der Bewohner 2013 in einem Referendum für den Verbleib im Königreich aussprachen. Nur das schlechte Wetter ist in dem „wellenförmigen Land von desolatem und elendem Aussehen“(Charles Darwin) immer noch das gleiche.