Rheinische Post

Nur bedingt arbeitsfäh­ig?

Zu einer Krisensitz­ung zur Flutkatast­rophe mit Armin Laschet konnte sich die auf Mallorca weilende Umweltmini­sterin „aus technische­n Gründen“nicht zuschalten. Auch ein Kabinettsk­ollege hatte mit Problemen zu kämpfen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

NRW-Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) sieht sich mit neuen Fragen im Zusammenha­ng mit ihrem Urlaub auf Mallorca konfrontie­rt. Die Ministerin hatte im Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss (Pua) erklärt, sie sei vollumfäng­lich arbeitsfäh­ig gewesen. Auch im Interview mit unserer Redaktion, in dem Heinen-Esser für den Flug nach Mallorca um Entschuldi­gung gebeten hatte, erklärte sie: „Mir war es wichtig, mich intensiv um die anstehende­n Themen zu kümmern. Ich habe vor allem das Entsorgung­sproblem in den betroffene­n Kommunen begleitet, Sofortmaßn­ahmen organisier­t und die Aufarbeitu­ng vorangetri­eben.“

Das wollten die Opposition­spolitiker Stefan Kämmerling und Ralf Jäger (beide SPD) ganz genau wissen und stellten dazu eine Kleine Anfrage. In der Antwort schreibt HeinenEsse­r: „Eine effiziente, umfassende und erfolgreic­he Wahrnehmun­g der Amtsgeschä­fte setzt somit in erster Linie eine gute Organisati­on der Abläufe und Kommunikat­ion voraus. Ist dies gewährleis­tet, ist der Ort, an dem die Amtsgeschä­fte wahrgenomm­en werden, nicht von erstrangig­er Bedeutung.“Dies gelte umso mehr, als nach Maßgabe der Geschäftso­rdnung die Erreichbar­keit für den Ministerpr­äsidenten stets gewährleis­tet werde.

Ob diese Erreichbar­keit aber tatsächlic­h gegeben war, daran lassen Dokumente der Landesregi­erung Zweifel aufkommen. So sollte es laut einer Vorbereitu­ngsunterla­ge der Staatskanz­lei eine Woche nach der Flutkatast­rophe, am 21. Juli, eine Besprechun­g von Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) mit 31 Oberbürger­meistern, den Regierungs­präsidente­n von Arnsberg, Düsseldorf und Köln sowie Vertretern der kommunalen Spitzenver­bände geben. Zugeschalt­et werden sollten die Kommunalmi­nisterin, der Innenminis­ter,

der Verkehrsmi­nister, der Wirtschaft­sminister und eben auch die Umweltmini­sterin, um einen Sachstand abzugeben. HeinenEsse­r war demnach als dritte Rednerin nach Ina Scharrenba­ch und Herbert Reul (beide CDU) vorgesehen. Zudem sollten die zuständige­n Fachminist­er gebeten werden, „auf konkrete Nachfragen, Wünsche, Kritik etc. seitens der Gesprächst­eilnehmer zu antworten“.

Nach der Besprechun­g schrieb eine Referatsle­iterin der Staatskanz­lei in einer E-Mail an das Umweltmini­sterium: Ob das Ministeriu­m – „eigentlich mit der Ministerin geplant – vertreten war, kann ich nicht genau sagen, offenbar gab es echte technische Probleme“. Dabei war der Besprechun­gsgegensta­nd für HeinenEsse­rs Haus durchaus von großer Bedeutung. Demnach wiesen offenbar die Landräte des Kreises Euskirchen und des Rhein-Sieg-Kreises auf das stetig größer werdende Problem der Abfallbese­itigung in den betroffene­n Regionen hin. „Es fehle mittlerwei­le an Manpower und technische­m Gerät, um die riesigen Mengen abzutransp­ortieren. Die Bitte an die Landesregi­erung lautet: Kümmert euch um Unterstütz­ung aus anderen Regionen – auch von weiter entfernt, damit Mensch und Maschinen schnellstm­öglich einsetzbar sind. Hebt die Grenzen des Abfallwirt­schaftspla­ns auf, damit eine zügige Abgabe des Abfalls auch in anderen Abfallregi­onen erfolgen kann.“Hier habe Laschet zugesagt, dieses Problem mitzunehme­n, so die Referatsle­iterin weiter. Zwei Tage später präsentier­te das Ministeriu­m einen Lösungsvor­schlag für das Müllproble­m.

Auf die Frage der SPD nach bekannten Störungen bei der Nutzung von VPN-geschützte­r Kommunikat­ion, schreibt Heinen-Esser: „Die störungsfr­eie Funktional­ität auch der VPN-geschützte­n Kommunikat­ion weist einen hohen Standard auf. Störungen, die die erforderli­che Kommunikat­ion

mit Mitglieder­n der Landesregi­erung vereitelt hätten, sind nicht bekannt.“Dieser scheinbare Widerspruc­h erklärt sich mit der Fragestell­ung: Ein Sprecher bestätigte unserer Redaktion, dass es bei der Videokonfe­renz mit Kommunen „echte technische Probleme bei der Einwahl gegeben habe, so teils auch bei der Ministerin. Das hatte nichts mit VPN zu tun.“Tatsächlic­h hatte das Wirtschaft­sministeri­um ebenfalls mit Problemen zu kämpfen.

Auch so übt SPD-Obmann Kämmerling Kritik an der Antwort: „Ministerin Heinen-Esser ist der Auffassung, dass es keine Rolle spiele, von wo aus die Amtsgeschä­fte der Landesregi­erung wahrgenomm­en werden. Das mag in normalen Zeiten auch so sein. Aber inmitten einer Hochwasser­katastroph­e, bei der Zehntausen­de von Betroffene­n in den Trümmern ihrer Existenz standen und nicht einmal im Ansatz daran denken konnten, in den Urlaub zu fahren oder diesen fortzusetz­en, sich für neun Tage in ihr mallorquin­isches Domizil zurückzuzi­ehen, ist schon ein höchst befremdlic­hes Amtsverstä­ndnis.“Mit dieser Sicht müsse in Zukunft kein Regierungs­mitglied mehr einen Urlaub ab- oder unterbrech­en. „Das ist in meinen Augen eine völlige Fehleinsch­ätzung“, so der SPD-Politiker.

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