Nur bedingt arbeitsfähig?
Zu einer Krisensitzung zur Flutkatastrophe mit Armin Laschet konnte sich die auf Mallorca weilende Umweltministerin „aus technischen Gründen“nicht zuschalten. Auch ein Kabinettskollege hatte mit Problemen zu kämpfen.
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sieht sich mit neuen Fragen im Zusammenhang mit ihrem Urlaub auf Mallorca konfrontiert. Die Ministerin hatte im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Pua) erklärt, sie sei vollumfänglich arbeitsfähig gewesen. Auch im Interview mit unserer Redaktion, in dem Heinen-Esser für den Flug nach Mallorca um Entschuldigung gebeten hatte, erklärte sie: „Mir war es wichtig, mich intensiv um die anstehenden Themen zu kümmern. Ich habe vor allem das Entsorgungsproblem in den betroffenen Kommunen begleitet, Sofortmaßnahmen organisiert und die Aufarbeitung vorangetrieben.“
Das wollten die Oppositionspolitiker Stefan Kämmerling und Ralf Jäger (beide SPD) ganz genau wissen und stellten dazu eine Kleine Anfrage. In der Antwort schreibt HeinenEsser: „Eine effiziente, umfassende und erfolgreiche Wahrnehmung der Amtsgeschäfte setzt somit in erster Linie eine gute Organisation der Abläufe und Kommunikation voraus. Ist dies gewährleistet, ist der Ort, an dem die Amtsgeschäfte wahrgenommen werden, nicht von erstrangiger Bedeutung.“Dies gelte umso mehr, als nach Maßgabe der Geschäftsordnung die Erreichbarkeit für den Ministerpräsidenten stets gewährleistet werde.
Ob diese Erreichbarkeit aber tatsächlich gegeben war, daran lassen Dokumente der Landesregierung Zweifel aufkommen. So sollte es laut einer Vorbereitungsunterlage der Staatskanzlei eine Woche nach der Flutkatastrophe, am 21. Juli, eine Besprechung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mit 31 Oberbürgermeistern, den Regierungspräsidenten von Arnsberg, Düsseldorf und Köln sowie Vertretern der kommunalen Spitzenverbände geben. Zugeschaltet werden sollten die Kommunalministerin, der Innenminister,
der Verkehrsminister, der Wirtschaftsminister und eben auch die Umweltministerin, um einen Sachstand abzugeben. HeinenEsser war demnach als dritte Rednerin nach Ina Scharrenbach und Herbert Reul (beide CDU) vorgesehen. Zudem sollten die zuständigen Fachminister gebeten werden, „auf konkrete Nachfragen, Wünsche, Kritik etc. seitens der Gesprächsteilnehmer zu antworten“.
Nach der Besprechung schrieb eine Referatsleiterin der Staatskanzlei in einer E-Mail an das Umweltministerium: Ob das Ministerium – „eigentlich mit der Ministerin geplant – vertreten war, kann ich nicht genau sagen, offenbar gab es echte technische Probleme“. Dabei war der Besprechungsgegenstand für HeinenEssers Haus durchaus von großer Bedeutung. Demnach wiesen offenbar die Landräte des Kreises Euskirchen und des Rhein-Sieg-Kreises auf das stetig größer werdende Problem der Abfallbeseitigung in den betroffenen Regionen hin. „Es fehle mittlerweile an Manpower und technischem Gerät, um die riesigen Mengen abzutransportieren. Die Bitte an die Landesregierung lautet: Kümmert euch um Unterstützung aus anderen Regionen – auch von weiter entfernt, damit Mensch und Maschinen schnellstmöglich einsetzbar sind. Hebt die Grenzen des Abfallwirtschaftsplans auf, damit eine zügige Abgabe des Abfalls auch in anderen Abfallregionen erfolgen kann.“Hier habe Laschet zugesagt, dieses Problem mitzunehmen, so die Referatsleiterin weiter. Zwei Tage später präsentierte das Ministerium einen Lösungsvorschlag für das Müllproblem.
Auf die Frage der SPD nach bekannten Störungen bei der Nutzung von VPN-geschützter Kommunikation, schreibt Heinen-Esser: „Die störungsfreie Funktionalität auch der VPN-geschützten Kommunikation weist einen hohen Standard auf. Störungen, die die erforderliche Kommunikation
mit Mitgliedern der Landesregierung vereitelt hätten, sind nicht bekannt.“Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich mit der Fragestellung: Ein Sprecher bestätigte unserer Redaktion, dass es bei der Videokonferenz mit Kommunen „echte technische Probleme bei der Einwahl gegeben habe, so teils auch bei der Ministerin. Das hatte nichts mit VPN zu tun.“Tatsächlich hatte das Wirtschaftsministerium ebenfalls mit Problemen zu kämpfen.
Auch so übt SPD-Obmann Kämmerling Kritik an der Antwort: „Ministerin Heinen-Esser ist der Auffassung, dass es keine Rolle spiele, von wo aus die Amtsgeschäfte der Landesregierung wahrgenommen werden. Das mag in normalen Zeiten auch so sein. Aber inmitten einer Hochwasserkatastrophe, bei der Zehntausende von Betroffenen in den Trümmern ihrer Existenz standen und nicht einmal im Ansatz daran denken konnten, in den Urlaub zu fahren oder diesen fortzusetzen, sich für neun Tage in ihr mallorquinisches Domizil zurückzuziehen, ist schon ein höchst befremdliches Amtsverständnis.“Mit dieser Sicht müsse in Zukunft kein Regierungsmitglied mehr einen Urlaub ab- oder unterbrechen. „Das ist in meinen Augen eine völlige Fehleinschätzung“, so der SPD-Politiker.