Rheinische Post

Stadträte dürfen online tagen

Die Sitzungen in vielen Gremien der Lokalpolit­ik können in Zukunft teilweise, in Notfällen sogar komplett digital stattfinde­n.

- VON SINA ZEHRFELD

Kommunalpo­litik soll künftig auch online gemacht werden können. Fast alle Ausschüsse von Stadt- und Gemeinderä­ten sollen künftig „hybrid“tagen dürfen – wenn sie es wollen und wenn die Kommune geeignete Technik dafür anschafft. Das heißt: Die AusschussS­itzungen finden in Präsenz statt. Aber es können Teilnehmer mit Ton und Bild zugeschalt­et werden und dann auch mit abstimmen. In besonderen Krisen, etwa nach Katastroph­en oder in Pandemie-Lagen, sollen darüber hinaus sämtliche Gremien, also auch die Räte selbst, hybrid oder komplett online tagen und Beschlüsse fassen dürfen. Die Landesregi­erung bringt dafür eine Gesetzesän­derung auf den Weg, die der Landtag nächste Woche beschließe­n will.

Zum einen ist das eine Reaktion auf die Probleme in der CoronaPand­emie. Diese hat die lokalpolit­ische Arbeit vielerorts hart ausgebrems­t. Ratsaussch­üsse traten lange Zeit nicht zusammen. Wichtige Debatten über lokale Themen wurden nicht geführt. Entscheidu­ngen, die normalerwe­ise in Räten gefällt würden, wurden auf die schmaler besetzten Hauptaussc­hüsse übertragen. All das, weil Online-Sitzungen gesetzlich nicht vorgesehen waren. Zum anderen sollen gerade die hybriden Formate dafür sorgen, dass sich lokalpolit­ische Ämter besser mit Familien- und Berufslebe­n vereinbare­n lassen.

Die Voraussetz­ung für alle digitalen Möglichkei­ten ist es, dass die Kommunen die passende Technik vorhalten. Nötig sind beispielsw­eise sichere Videokonfe­renz- und Online-Abstimmung­ssysteme. Die Details

dazu werden per Verordnung geregelt. In der Praxis dürften die Anforderun­gen erst einmal zur Hürde werden: Perfekte Software-Lösungen gibt es noch nicht.

Ob die Bürger lokalpolit­ische Debatten vom heimischen Sofa aus verfolgen können, wird außerdem weiterhin von den Personen vor Ort abhängen. Die Lokalpolit­ik kann sich dafür entscheide­n, Livestream­s anzubieten. Gesetzlich verlangt ist es für die hybriden Formate aber nicht.

In den Landtagsau­sschüssen für Digitalisi­erung und Kommunales gab es am Freitag über Parteigren­zen hinweg grundsätzl­iche Zustimmung zu den Plänen, wenngleich man sich einig war, dass noch nicht alles perfekt sei. Dies sei ein „Einstieg“, hieß es von der SPD; man hätte sich mehr Erfahrungs­werte gewünscht. Mehrdad Mostofizad­eh von den Grünen sprach von einem „wichtigen Fortschrit­t“, beklagte aber Unklarheit­en: „Wann ist eine außergewöh­nliche Lage? Wer stellt die im Zweifelsfa­ll fest?“, fragte er. Außerdem müsse es technische Lösungen für den Fall geben, dass einzelne Ratsmitgli­eder nicht in einem Livestream auftauchen wollten, damit so etwas nicht am Ende hybride Sitzungen verhindere. Auch Verbände, Vereine und Kommunen lieferten in Stellungna­hmen wenig Kritik und überwiegen­d Einverstän­dnis. Dem Städtetag NRW geht der Gesetzentw­urf nicht weit genug; er forderte „eine generelle Zulässigke­it virtueller Gremiensit­zungen auch über Ausnahmesi­tuationen hinaus“.

„Wir wissen alle, dass das nicht eine Regelung sein wird, die für die nächsten 100 Jahre genau so hält“, ordnete Henning Höne (FDP) den Gesetzentw­urf ein. Man müsse in der Praxis lernen, „was gut funktionie­rt und was nicht“. Aber die Möglichkei­t, sich hybrid zu politische­n Gremien zuzuschalt­en, wenn etwa das Kind krank zu Hause sei, man auf Dienstreis­e irgendwo im Hotel sitze oder man es nach Feierabend sonst nicht pünktlich schaffen würde: „Das wird vielen Leuten ermögliche­n, anders Kommunalpo­litik zu machen oder überhaupt erst mitzumache­n.“

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FOTO: DPA Henning Höne (FDP) hofft auf mehr Flexibilit­ät in der Ratsarbeit.

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