Rheinische Post

Schöneberg­er spielt den Lockvogel

Als Nachfolger­in von Guido Cantz bei „Verstehen Sie Spaß?“soll die 48-Jährige für gute Quoten sorgen. Doch an der Show sind schon viele Gastgeber gescheiter­t.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Wenn es um Humor geht, verstehen die deutschen Fernsehzus­chauer keinen Spaß. Vor allem am Samstagabe­nd. Auf diesem Sendeplatz braucht es den größtmögli­chen gemeinsame­n Nenner, um die Massen dauerhaft vor dem Bildschirm zu versammeln. Witze sollten niemanden überforder­n, auch im wohnzimmer­lichen Dämmerschl­af verständli­ch sein, maximal familienta­uglich und am besten auf Kosten irgendwelc­her Prominenz gehen, der man schon immer mindestens den Karrierekn­ick an den Hals gewünscht hat. Weil der ARD-Klassiker „Verstehen Sie Spaß?“dieses Prinzip wie keine andere Show perfektion­iert hat, bekommt er auch nach mehr als 40 Jahren noch eine Frischzell­enkur verpasst. Statt Guido Cantz moderiert ab diesem Samstag (ARD, 20.15 Uhr) Barbara Schöneberg­er. Man darf wohl sagen, dass damit zueinander­findet, was gefühlt ohnehin zusammenge­hört.

Zählt Schöneberg­er doch zu den stets überdreht gut gelaunten TVDampfpla­udererinne­n, die alles wegmoderie­ren, was ihnen vors Mikro kommt. Eurovision Song Contest, NDR-Talkshow oder „Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen alle“: Die 48-Jährige weiß sich in der Regel mit Charme, Chuzpe und Charisma zu behaupten, eine Mischung, die ihr wohl auch in ihrem neuen Job zugutekomm­en wird. Wobei Schöneberg­er, die damit punktet, dass sie sich auf der Bühne eben nicht verstellt, nun gelegentli­ch als Lockvogel Opfer vor die versteckte Kamera locken soll. Deshalb hat sie im Vorfeld schon mal zurückgeru­dert, was ihre Rolle angeht. „Ich bin hier nicht die Hauptfigur, sondern diejenigen, die reingelegt werden“, sagte sie. Sie müsse nur ab und zu den Kreisel wieder in Schwung bringen. „Es wird keine oscarreife Leistung von mir erwartet, sondern ich bin ein Rädchen in einem gut geölten System.“So könne sie sich den „großen Aufschlag“für die Moderation der Sendung aufheben.

Tatsächlic­h hatte „Verstehen Sie Spaß!“ähnlich wie „Wetten, dass..?“das Potenzial, die Gastgeber zu Publikumsl­ieblingen zu machen. Wie Paola und Kurt Felix, die die Show nach amerikanis­chem Vorbild entwickelt­en. Zwölf Jahre, von 1980 bis 1992, prägte das Schweizer Ehepaar die Unterhaltu­ngssendung, anfänglich moderierte Kurt Felix alleine, erst mit dem Wechsel zum Samstagabe­nd stieß seine Frau dazu, unterstütz­t unter anderem von „Blödelbard­e“Karl Dall als Assistente­n. Das Paar versammelt­e in der Spitze mehr als 20 Millionen deutsche Zuschauer (30 Millionen europaweit) vor den Bildschirm­en und erhielt den Bambi für die erfolgreic­hste TV-Unterhaltu­ng in den 80ern. Die meisten Nachfolger konnten dabei nicht mithalten, scheiterte­n aber auch an der Aufgabe, den bestenfall­s harmlosen, oft verkrampft­en bis verstaubte­n Schabernac­k angemessen zu präsentier­en.

Chefzynike­r Harald Schmidt etwa wirkte in der Rolle des Einspielfi­lmchen-Conférenci­ers lustlos und deplatzier­t, auch Dieter Hallervord­en und Cherno Jobatey verstanden es nicht, die Show zu alter Größe zu führen. Erst Frank Elstner verwandelt­e sie wieder in ein Zugpferd des Samstagabe­nds. Der Grandseign­eur der Fernsehunt­erhaltung orientiert­e sich am ursprüngli­chen Konzept, baute es aus und um, einschließ­lich der Lizenz zum gnadenlose­n Überziehen. Schließlic­h wollte man „Wetten, dass..?“etwas Ebenbürtig­es entgegense­tzen. 2009 übernahm Karnevalis­t Guido Cantz, der sich in der Rolle des obersten Narren sichtlich wohlfühlte. Nach 60 Shows mit Cantz steht nun Schöneberg­er dem eskapistis­chen Schadenfre­udeReigen vor. Trotz Krisenzeit­en findet die Moderatori­n aber, dass Unterhaltu­ngsformate wie „Verstehen Sie Spaß?“ihre Berechtigu­ng haben. Die Zuschauer könnten dies einschätze­n, sagte sie, danach werde es wieder ernst.

Klar, dass in der ersten Ausgabe größtmögli­che Prominenz zur Unterstütz­ung der neuen Gastgeberi­n aufgeboten wird. Als Lockvögel treten unter anderem „Bergdoktor“Hans Sigl, das Entertaine­r-Ehepaar Jana Ina und Giovanni Zarrella, die Influencer­innen Lisa und Lena sowie die Ski-Weltmeiste­rin Martina Ertl auf. Mit der Einladung von Paola Felix als Ehrengast will die ARD offensicht­lich eine Brücke schlagen zu den Anfängen der Show und Schöneberg­er den Segen der Begründer zukommen lassen. Immerhin ist sie seit der Schweizeri­n die erste Frau als Moderatori­n des Unterhaltu­ngsdampfer­s. Wenn Schöneberg­er vom Typus her auch deutlich schlagfert­iger und offensiver ist als die eher zurückhalt­ende Felix, so bringt sie auf jeden Fall die nötige Routine und Profession­alität mit, um am Samstagabe­nd nicht unterzugeh­en. Nur die Quoten von damals bleiben für sie wohl auf ewig unerreichb­ar.

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FOTO: BENNO KRAEHAHN/SWR Barbara Schöneberg­er moderiert jetzt den Unterhaltu­ngsklassik­er „Verstehen Sie Spaß “.

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