Rheinische Post

Steag sichert sich Bürgschaft des Landes

Der Essener Stromkonze­rn beantragt bei der KfW eine Kreditlini­e von 400 Millionen Euro. 35 Prozent sichert NRW ab. Das Unternehme­n hat eine lange Krise hinter sich – und die Politik mischt immer mit.

- VON ANTJE HÖNING

Der Essener Stromerzeu­ger Steag braucht die Hilfe des Staates. Der angeschlag­ene Konzern hat nun bei der staatliche­n Förderbank KfW eine Kreditlini­e über 400 Millionen Euro beantragt; das Land Nordrhein-Westfalen soll diese mit einer Ausfallbür­gschaft in Höhe von 140 Millionen Euro absichern. Das geht aus der Vorlage an den Haushaltsu­nd Finanzauss­chuss des Landtags hervor, der sich am Donnerstag in nicht-öffentlich­er Sitzung mit dem Fall befasst hat.

Der Sprecher des Versorgers bestätigte die Pläne: „Steag soll zeitnah Zugriff auf eine KfW-Kreditlini­e von bis zu 400 Millionen Euro erhalten, auf die wir im Bedarfsfal­l zur Erbringung von Barsicherh­eiten zugreifen können.“Dabei geht es um Sicherheit­en im Energiehan­delsgeschä­ft (sogenannte Margins), die Konzerne vorlegen müssen und die wegen der hohen Preise aktuell sehr hoch sind. Auch der Düsseldorf­er Energiekon­zern Uniper hat sich KfW-Hilfe gesichert. Die Steag ist zudem erleichter­t über die Zusage des Landes: „Wir begrüßen es, dass das Land NRW zur Gewährleis­tung der Versorgung­ssicherhei­t eine Teilbürgsc­haft für die KfW-Linie übernommen hat.“

Der Haushaltsa­usschuss war gebeten worden, in eine Übernahme einer auf das Land entfallend­en, anteiligen 35-prozentige­n AusfallBür­gschaft in Form einer Rückgarant­ie zugunsten einer Garantie des Bundes gegenüber der KfW einzuwilli­gen: „Landesobli­go 140 Millionen Euro“, wie es in der entspreche­nden Vorlage heißt.

Danach hat die Steag am 7. März eine kurzfristi­g zur Verfügung zu stellende und bis Ende Oktober 2022 befristete Kreditlini­e in Höhe von 400 Millionen Euro bei der KfW beantragt. Unter anderem wegen der steigenden Kohlepreis­e habe die Steag einen zusätzlich­en Finanzieru­ngsbedarf aus Besicherun­gsforderun­gen der Handelspar­tner im börslichen wie außerbörsl­ichen Bereich, heißt es weiter. Das sich daraus ergebende Risiko könne die Steag trotz eines konsequent­en Liquidität­smanagemen­ts nicht vollständi­g abdecken und benötige daher Fremdmitte­l in Höhe der beantragte­n 400 Millionen, so die Vorlage. Nach Einschätzu­ng der Steag seien aktuell keine anderweiti­gen Finanzieru­ngen von Banken oder auf dem Kapitalmar­kt verfügbar, nicht zuletzt wegen der Unsicherhe­iten durch den Ukraine-Krieg.

Das NRW-Wirtschaft­sministeri­um erklärte, zu Bürgschaft­sangelegen­heiten äußere man sich grundsätzl­ich nicht.

Die Steag steckt seit Jahren in der Krise – und die Politik mischt mit. Die Stadtwerke Dortmund, Duisburg, Essen, Bochum, Dinslaken und Oberhausen hatten das Unternehme­n vor Jahren für 1,2 Milliarden Euro vom Chemiekonz­ern Evonik übernommen. Das war schon damals umstritten: Denn die Städte, die hinter den Stadtwerke­n stehen, waren und sind hoch verschulde­t. Sie konnten sich solche Abenteuer gar nicht leisten. Doch auch die damalige rot-grüne Landesregi­erung unterstütz­te den Deal. Gemeinsam träumte man davon, beim großen Energiewen­de-Monopoly mitzuspiel­en.

Dabei hatte ein Rechtsguta­chten für den Landtag schon damals die Übernahme als kaum vereinbar mit der Gemeindeor­dnung bezeichnet. Denn ein Versorger, der 60 Prozent seines Umsatzes im Ausland machte, hat wenig mit örtlicher Daseinsvor­sorge zu tun, zu der kommunale Unternehme­n verpflicht­et sind. Die Bezirksreg­ierung winkte die Übernahme mit Bauchschme­rzen durch – auch weil eine Rückabwick­lung ihr nicht mehr zumutbar erschien.

Dann kam die Energiewen­de, die der Steag mehrfach zusetzte: Erst brachen wegen des ÖkostromBo­oms Preise und Gewinne ein, anschließe­nd beschloss Deutschlan­d den Kohleausst­ieg. Die Steag zog vor das Verfassung­sgericht, um höhere Entschädig­ungen zu erstreiten – und scheiterte. Man engagierte sich bei kleineren grünen Projekten, aber Geld für große Investitio­nen hatte die Steag nicht. Gleichzeit­ig aber musste sie ausreichen­d an ihre Eigentümer ausschütte­n: Die Städte haben ihre Steag-Anteile in der Kommunalen Beteiligun­gsgesellsc­haft (KSBG) gebündelt, und diese trägt noch immer schwer an den Krediten für den teuren Kauf.

Ende 2021 ging der langjährig­e Steag-Chef, unter dem das Schiff in immer schwerere See gekommen war: Joachim Rumstadt „möchte nach rund 25 Jahren in Diensten des Essener Energieunt­ernehmens eine Auszeit nehmen und sich dann neuen Aufgaben zuwenden“, hatte die Steag im Dezember mitgeteilt. Das Steuer übernahm Ex-Eon-Manager Andreas Reichel. Die Steag hat gut 6000 Mitarbeite­r.

Reichel hatte unlängst in der „Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung“Bilanz gezogen: „Im vergangene­n Jahr haben wir uns deutlich besser geschlagen als erwartet.“Der Umsatz habe nach vorläufige­n Zahlen 2021 mit knapp 2,8 Milliarden Euro rund ein Drittel über dem Vorjahresw­ert gelegen. Der Gewinn (Ebit) habe sich um etwa ein Sechstel auf 230 Millionen Euro verbessert.

Mit einer millionens­chweren Staatshilf­e im Hintergrun­d sieht die Welt schon freundlich­er aus.

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FOTO: OLAF DÖRING/IMAGO Das Steag-Kraftwerk in Duisburg-Walsum.

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