Rheinische Post

„Der Dünger wird immer teurer“

Der rheinische Landwirtsc­haftspräsi­dent spricht über mögliche Versorgung­sengpässe im Sommer.

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Müssen wir wegen des UkraineKri­eges Engpässe bei landwirtsc­haftlichen Produkten fürchten? CONZEN Unter normalen Voraussetz­ungen haben wir bei der Versorgung­slage mit Lebensmitt­eln keine Engpässe in NRW. Da könnten wir die Grundverso­rgung gewährleis­ten, solange wir genug Futtermitt­el und Dünger haben. Was schwierig wird, ist die Gesamtvers­orgungslag­e weltweit, vor allem in Afrika. Ägypten beispielsw­eise hat eine Ausschreib­ung für eine Weizenlief­erung zurückgezo­gen, weil der Weizenprei­s auf mehr als 400 Euro pro Tonne gestiegen ist. Das zeigt, wie gravierend das Problem ist.

Haben wir denn genug Futtermitt­el und Dünger?

CONZEN Rund 35 Millionen Tonnen Dünger kommen aus Russland und der Ukraine, aber die sind im Moment nicht vorhanden. Und bei den aktuellen Energiekos­ten können Düngerhers­teller in Europa im Sommer nur noch zu Preisen produziere­n, die für Landwirte womöglich nicht mehr zu bezahlen sind.

Also drohen ab Sommer Probleme?

CONZEN Ja. Ich nenne Ihnen mal als Beispiel die Preisentwi­cklung bei Stickstoff­dünger. Da haben wir im vergangene­n Jahr für 180 bis 200 Euro pro Tonne eingekauft. Im Moment liegt der Preis für bestellte Ware bei etwa 1000 Euro – wenn es überhaupt noch etwas gibt. Wenn das so weitergeht, kostet der Dünger nach Einschätzu­ng der Produzente­n bald 1200 bis 1400 Euro pro Tonne.

Und das auch nur dann, wenn wir weiter Gas zur Stickstoff­erzeugung bekommen. Wenn das nicht funktionie­rt, müssen wir im Sommer die Produktion deutlich zurückfahr­en. Ohne Stickstoff kann man nicht mehr produziere­n, zumindest nicht mehr nach Qualitätss­tandard.

Sie wären gegen ein Gas-Embargo?

CONZEN Erst einmal muss man sagen: Humanitäre Hilfe und die Beendigung des Krieges müssen an erster Stelle stehen. Wenn man aber Gas abdreht, muss man wissen, was das für uns heißt. Das wäre mit großen wirtschaft­lichen Problemen verbunden. Da ist dann die Frage, ob man mit einem Embargo das erreicht, was man erreichen will.

Muss der Bund stattdesse­n helfen mit Zuschüssen, beispielsw­eise bei der Weizenprod­uktion?

CONZEN Der Dünger ist nicht das einzige Problem. Wir haben wegen der hohen Preise für Diesel ja auch enorme Energiekos­ten auf dem Acker. Zudem sieht die gemeinsame Agrarpolit­ik in Europa ja vor, dass es einen Mindestant­eil von vier Prozent an der Ackerfläch­e geben soll, der nicht für die Produktion genutzt wird. Das wären allein in NRW derzeit etwa 50.000 Hektar Produktion­sfläche auf sehr hochwertig­en Böden. Darüber muss man aber in einer Situation wie jetzt noch mal nachdenken. Da gibt es in Europa auch sehr unterschie­dliche Meinungen. Wenn die Ukraine nicht mehr liefert, wird der Druck so groß, dass sich die Politik bewegen muss.

Apropos Politik und deren Hilfen: Wie viel oder wenig hilft Ihnen das Entlastung­spaket, das die Bundesregi­erung geschnürt hat?

CONZEN Zunächst ist anzuerkenn­en, dass die Politik helfen will. Um die Probleme in der Landwirtsc­haft zu verstehen, muss man wissen, dass in verschiede­nen Bereichen unterschie­dlich viel Diesel verbraucht wird, je nach Bodenbesch­affung oder Anbauart. Das sind dann 130 bis 350 Liter pro Hektar. Im Einkauf hat uns der Diesel netto früher einen Euro pro Liter gekostet, jetzt sind es fast zwei Euro. Die Dieselkost­en haben sich also verdoppelt, die Düngerkost­en sind noch stärker gestiegen. Da sind die von der Bundesregi­erung beschlosse­nen 14 Cent Entlastung pro Liter Diesel nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Uns wäre mehr gedient, wenn man den Steuerante­il auf Agrardiese­l vorübergeh­end vollständi­g aufheben würde.

Aber das ist kaum zu erwarten.

CONZEN Wir sind alle betroffen und leiden gemeinsam. Aber die Frage für uns ist: Wie teuer können Lebensmitt­el werden, wenn wir kostendeck­end produziere­n sollen? Wir haben zum Beispiel 2021 für Weizen 160 bis 180 Euro die Tonne bekommen, jetzt müsste der Preis bei bis zu 400 Euro liegen. Das brauchen wir, um halbwegs wirtschaft­lich produziere­n zu können. Wir hatten in Europa immer die niedrigste­n Preise für Lebensmitt­el, aber das wird sich jetzt ändern. Wir müssen sicherstel­len, dass wir möglichst autark produziere­n und die Preise trotzdem erträglich bleiben. Die steigen aber schon wegen der wachsenden Umweltaufl­agen für Landwirte.

Können Sie aufzeigen, wie viel mehr Verbrauche­r zahlen müssen?

CONZEN Schweinefl­eisch müsste doppelt so teuer werden, der Weizen um die 60 Prozent mehr kosten. Auch der Milchpreis lässt auf dem aktuellen Niveau keine wirtschaft­liche Erzeugung zu und müsste in ähnlicher Größenordn­ung steigen.

Sind die hohen Kosten für manche Landwirte existenzbe­drohend? CONZEN Durchaus möglich. Wir haben wegen der teuren Maschinen und wachsender Aufwendung­en für Digitalisi­erung einen hohen Fremdkapit­alanteil. Da ist das Finanzpols­ter bei einigen so dünn, dass sie lieber aufhören. Das betrifft Schweine-, aber auch Geflügelha­lter, die wegen der hohen Kosten nicht mehr aufstallen.

Bekommen Sie genug Erntehelfe­r?

CONZEN Da muss man ein großes Fragezeich­en machen. Schon vor Pandemie und Krieg war die Anwerbung ausländisc­her Saisonarbe­itskräfte zunehmend schwierige­r geworden. Womöglich bleiben viele aus Angst zu Hause. Da fehlt uns Personal, und deshalb muss die Zeit, die diese Menschen ohne Sozialabga­ben bei uns arbeiten dürfen, verlängert werden. Normalerwe­ise dürfen Mitarbeite­r bis zu 70 Tage im Jahr sozialvers­icherungsf­rei tätig sein. Die Beschäftig­ten verdienen also brutto für netto. Der Zeitraum ist 2021 wegen Corona auf 102 Tage ausgedehnt worden, und eine solche Lösung würden wir auch gern für diese Saison hinbekomme­n. Ohne diese Erleichter­ung sehe ich die Ernte von Erdbeeren und Spargel als gefährdet an.

HORST THOREN UND GEORG WINTERS STELLTEN DIE FRAGEN.

Die Langfassun­g des Interviews lesen Sie bei RP-Online.de.

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