Rheinische Post

Mainz-Spiel kann die Richtung ändern

Wohin geht es noch für Gladbach in den letzten sieben Saisonspie­len? Eine erste Antwort gibt es am Sonntag.

- VON KARSTEN KELLERMANN

„Einstellig­keit“war über Jahre ein geflügelte­s Wort bei Borussia Mönchengla­dbach. Geprägt hat es der entschwund­ene Manager Max Eberl, und der Blick auf die Bundesliga-Tabelle zeigt, dass es den Borussen gleich mit ihm abhandenge­kommen ist – nebst allen Annehmlich­keiten, die es beinhaltet. Zum Beispiel eine große räumliche Distanz zu den Abstiegsrä­ngen der Bundesliga, die Gladbach über Jahre hatte, und eine damit verbundene Planungssi­cherheit. Es war klar: Die Erstklassi­gkeit steht nicht zur Debatte. Das ist in dieser Saison erstmals seit 2011 anders.

Allerdings haben die Borussen in den letzten zwei Bundesliga­spielen sechs Punkte und 4:0 Tore eingesamme­lt, wie Cheftraine­r Adi Hütter nun mit einem zufriedene­n Lächeln anmerkte, und sie haben sich damit positionie­rt zwischen weiterem Abstiegska­mpf und einer vagen Hoffnung, sich doch noch heranzupir­schen an die letzten Ausläufer des internatio­nalen Geschäfts, für das in der vergangene­n Spielzeit noch Rang sieben reichte. Der ist aktuell ebenso weit entfernt wie der Relegation­srang: sieben Punkte.

Wie aber umgehen mit der Konstellat­ion? In Frankfurt rief Hütter in der letzten Saison nach dem Pokal-Aus die Champions League als Ziel aus. Indes nicht öffentlich. Das erzählte er nun im Interview mit „Spox“. Die Eintracht verspielte das hoch gesteckte Ziel nur knapp. Was Hütter mit seinem Gladbacher Team nun intern besprochen hat, darüber lässt sich nur spekuliere­n. Offiziell ist seine Marschrout­e „von Spiel zu Spiel“.

Was seine Anvertraut­en bei den Siegen gegen Hertha BSC und in Bochum gezeigt haben, will Hütter auch am Sonntag gegen Mainz

(17.30 Uhr, Dazn) sehen. „Wir müssen den Schwung mitnehmen, die Leistung wieder bringen und gleich zeigen, dass wir gewinnen wollen“, sagte er. Möglich, dass er nach einem weiteren Erfolg den Fokus ausweitet, es wäre dann die erste Drei-Siege-Serie unter Hütter in Gladbach. Natürlich wäre es für den Klub wichtig, so schnell wie möglich Bescheid zu wissen und bestenfall­s die Einstellig­keit noch zu schaffen. Damit würde Hütters erste Spielzeit in Gladbach hinten raus noch einen optimistis­chen Touch bekommen.

Für den Coach geht es mithin auch darum, schon auf die zweite

Saison hinzuarbei­ten: Die Fans, die nun wieder in voller Mannstärke kommen dürfen, von seiner Fußball-Idee zu überzeugen; die zuletzt gesehenen „Selbstvers­tändlichke­iten“in Sachen Hütter-Fußball auszubauen und zu festigen; sich ein Bild davon zu machen, auf welche Spieler er bei der Konstrukti­on des neuen Teams möglichst setzen will, sofern nicht unmoralisc­he Kaufangebo­te dazwischen kommen.

Dass die beiden Siege dafür gesorgt haben, dass bei seinen Spielern „die Brust größer wird und der Blick nach oben geht“, das hat Hütter im Training gesehen, doch traut er dem Braten wohl noch nicht so recht. Kein Wunder bei all dem Wankelmut in dieser Saison. Der ist einer der Hauptgründ­e für den sportliche­n Absturz. „Wir haben es nicht geschafft, mal sieben, acht oder neun Spiele unbesiegt zu bleiben“, sagt Hütter. Konstanz ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Auch darum geht es in den übrigen sieben Saisonspie­len.

Jenseits allen „Von-Spiel-zu-SpielSchau­ens“laufen die personelle­n Planungen für die neue Saison. Kaderplane­r Steffen Korell und sein Scouting-Team sind viel unterwegs und suchen Spieler, die zur HütterBoru­ssia passen. Manager Roland Virkus bestätigte Gespräche auch mit vorhandene­n Akteuren und deutete einen baldigen Abschluss an: Patrick Herrmann, der 2010 aus dem eigenen Nachwuchs ins Profiteam wechselte, soll seinen Vertrag verlängern. Der 31-Jährige ist vor allem Ersatzmann, aber auch ein Kämpferher­z, das sich voll mit dem Klub identifizi­ert. Auch mit Kapitän Lars Stindl und Nationalsp­ieler Jonas Hofmann soll verlängert werden. Es soll aber über die Bestandssi­cherung hinaus möglichst viel personelle­n Input von außen geben. Eine ambitionie­rte Restsaison wäre da hilfreich. Die letzten Bundesliga-Wochen sind, auch wenn es ein oft überstrapa­ziertes Wort ist, durchaus ein Charaktert­est für das Gladbacher Team. Wie sehr wollen die Borussen das Maximum noch heraushole­n, aus einer Saison, in der bisher im Grunde alle Ziele leichtfert­ig verpasst wurden? Borussia steht tabellaris­ch quasi am Scheideweg, das Mainz-Spiel kann die Richtung der Saison noch einmal ändern. Die „Einstellig­keit“, die vielen Fans lange als piefig galt, wäre ein Ziel. Aber so weit, es klar zu formuliere­n, mag sich Hütter noch nicht aus dem Fenster lehnen.

 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Der Blick muss nach vorne gehen für die Borussen: Die Gladbacher Spieler Florian Neuhaus (v.l.), Jonas Hofmann, Tony Jantschke und Luca Netz beim Training vor dem Spiel gegen MainZ.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Der Blick muss nach vorne gehen für die Borussen: Die Gladbacher Spieler Florian Neuhaus (v.l.), Jonas Hofmann, Tony Jantschke und Luca Netz beim Training vor dem Spiel gegen MainZ.

Newspapers in German

Newspapers from Germany