Prozess nach brutaler Attacke auf Schalke
Ein Manchester-City-Fan ist 2019 lebensgefährlich verletzt worden. Nun stehen die mutmaßlichen Täter vor Gericht.
Für den Manchester-City-Fan Paul W. und seine Familie aus England war nie ein Weg zu weit, um ein Spiel ihrer Lieblingsmannschaft zu sehen. Im Februar 2019 reiste der damals 32-Jährige mit seiner Schwester Nicola, den Eltern und zwei Freunden aus Manchester nach Deutschland, um die Mannschaft im ChampionsLeague-Spiel gegen Schalke 04 in Gelsenkirchen anzufeuern. Doch der Fußballabend endete für Paul W. beinah tödlich. Durch einen Faustschlag eines Schalke-Anhängers hatte er so schwere Kopfverletzungen erlitten, dass die Ärzte ihn notoperieren und ins Koma versetzen mussten. Er schwebte in akuter Lebensgefahr.
Am Freitag, 8. April, beginnt vor dem Landgericht Essen der Prozess gegen Jens H., 33 Jahre alt und laut Anklage der gewaltbereiten Fanszene des FC Schalke 04 zuzurechnen. Er soll Paul W. mit der rechten Faust gezielt gegen das Kinn geschlagen haben. Jens H. gilt als erfahrener Sportler, er soll Thai-Boxen und Mixed Martial Arts beherrschen, eine Sportart, die viele Schlag- und Tritttechniken verbindet.
Mit Jens H. angeklagt sind Ben P., 30 Jahre, Dieter S., 48 Jahre, und Maik F., 45 Jahre. Die Staatsanwaltschaft wirft den vier Männern gefährliche Körperverletzung vor. Sie hatte Jens H. eigentlich wegen versuchten Mordes angeklagt. „Das Schwurgericht sah aber keinen hinreichenden Tatverdacht dafür, dass
der Schlag mit Tötungsvorsatz geführt worden ist“, wie ein Sprecher des Essener Landgerichts sagt.
Die Anklage geht von folgendem Tatablauf aus: Am Abend des 20. Februar 2019 standen die Geschwister aus England, Paul W. und Nikola W., in der Umlaufzone hinter dem Gästeblock und schauten sich das Spiel auf Bildschirmen an. Es war 22.30 Uhr, Spielstand: 2:2. Ganz in der Nähe sollen auch die vier Angeklagten gestanden haben – um die Provokation zu suchen. Dabei sollen sie sich ihre Kapuzen über die Köpfe gezogen haben, um von den Kameras nicht erkannt zu werden. Nach
Erkenntnissen der Ermittler sind alle vier der Schalker Ultra-Gruppierung „Hugos“zuzurechnen. Sie sind polizeibekannt, Jens H. wurde wegen diverser Vorfälle als „Gewalttäter Sport“eingestuft.
Manchester erzielte damals den Siegtreffer, woraufhin Paul W. zum Schalker Block ging und beide Mittelfinger in Richtung der Fans ausstreckte. Auf dem Weg zurück wurde er laut Anklage von einem der Angeklagten angerempelt, reagierte aber nicht auf die Provokation. Der Engländer war betrunken, im Krankenhaus wurde später ein Blutalkoholwert von 2,8 Promille gemessen.
Einer der Beschuldigten soll zunächst Paul W.s Vater gegen den Kopf geschlagen haben. Jens H. soll daraufhin auf Paul W. zugegangen sein und ihm den Schlag gegen das Kinn verpasst haben. W. sackte sofort zu Boden und blieb regungslos liegen. Maik F. schlug Nikola W. ins Gesicht, sie erlitt eine Platzwunde an der Lippe. Dann sollen die Männer den Tatort verlassen haben.
Burkhard Benecken verteidigt Maik F. im Prozess. „Er schämt sich sehr für die Ohrfeige, die er der Frau gegeben hat“, sagt der Rechtsanwalt. „Das tut ihm sehr leid.“Ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000
Euro habe er der Frau bereits zukommen lassen.
Paul W. lag nach der Tat mehrere Wochen im Koma. „Es geht ihm heute wieder relativ gut“, sagt Rechtsanwalt Jan Czopka, der W. und dessen Schwester als Nebenkläger im Prozess vertritt. „Die Familie wünscht sich jetzt einen Abschluss.“Alle Familienmitglieder sind als Zeugen geladen. „Sie hoffen natürlich auf umfassende Geständnisse, dann könnten sie sich die Reise nach Deutschland vielleicht sparen“, sagt Czopka. Für den Prozess sind acht Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte Mitte Mai fallen.