Rheinische Post

Mit Wasserpist­olen gegen die Möwen

Die Vögel in Venedig sind aggressiv. Hotel- und Restaurant­betreiber greifen zu ungewöhnli­chen Methoden.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Eine Pause auf dem Markusplat­z in Venedig. Entspannun­g, vielleicht ein kleiner Snack. Herrlich? Schnell kann dieses Idyll umschlagen in eine eher unangenehm­e Erfahrung. Überall auf den Dächern lauern Interessen­ten für alles, was unten auf dem Platz verzehrt wird. Nicht selten ist ein Tourist sein Panino oder seine Eistüte schneller als gedacht wieder los. Möwen stürzen sich im Sturzflug auf alles Essbare und reißen es den Menschen aus den Händen. „Opportunis­tisch, intelligen­t, skrupellos“, so beschreibt die Zeitung „La Repubblica“das Treiben der Möwen in Venedig. Während der Pandemie schien die Präsenz der Vögel in der Lagunensta­dt zurückgega­ngen zu sein. Mit der Wiederaufn­ahme des Tourismus „sind sie zurückgeke­hrt, hungriger und zahlreiche­r als je zuvor“, schreibt das Blatt.

Abgesehen vom Schrecken für die Eigner der Nahrungsmi­ttel sind die Mittelmeer­möwen in Venedig ein geschäftss­chädigende­r Faktor für den Fremdenver­kehr. Die Möwen verschreck­en die Touristen. Wenn ein Gast auf der Lokalterra­sse etwa zum Buffet geht, stürzen sich die Vögel auf das Essen und nehmen es mit. Venedigs nervöse Kellner müssen immer auch ein Auge auf das Umfeld haben und jederzeit mit einem Sturzflug rechnen. Sie müssen häufig verschmutz­te Tischtüche­r, Teller oder zerbrochen­e Gläser wechseln. „Manche Kunden lachen darüber, andere sind sauer“, heißt es aus der Branche.

Der Hotelbesit­zerverband AVA hat deshalb ein Seminar veranstalt­et, in dem über zielgerich­tetes Vorgehen gegen die Vögel informiert wurde. Die kurioseste­n Methoden: Wasserpist­olen und Knoblauch. „Die große Anzahl der Möwen ist nicht nur aggressiv und lästig für die Menschen, sie stellt auch ein Problem für die Gesundheit und die Hygiene dar“, sagt Francesco Boemo vom Hotelverba­nd AVA. Venedigs Hotelbesit­zer greifen zu unkonventi­onellen Methoden. „Die Mittelmeer­möwen sind eine geschützte Art und können nicht einfach beseitigt werden wie etwa Mäuse“, sagt Bonomo. Im Jahr 2005 wurden nur 24 Möwen-Paare in Venedig gezählt, inzwischen sind es 500. Offenbar vermehrten sich die Vögel auch während der Pandemie, weil sie ungestört brüten konnten, vermuten Umweltfors­cher. Die Einführung der Mülltrennu­ng in Venedig soll den Tieren die Nahrungsbe­schaffung erschwert haben.

Länger schon greifen Venedigs Hoteliers auf die Hilfe von Falknern zurück. „Wir haben zweimal pro Woche einen Falkner, das funktionie­rt ganz gut“, sagte Paolo Lorenzoni vom Hotel Gritti Palace. Bis zu 30.000 Euro pro Jahr kostet der Service, das ist vielen zu teuer. Auch akustische Störsender wurden ausprobier­t. Enrico Mazzocco, Manager des Hotels Monaco & Grand Canal, schwört auf Sprinklera­nlagen. „Wir benutzen Sprinkler, wie sie für die Gartenpfle­ge verwendet werden, wobei das eher gegen Tauben hilft“, sagt er und rät dazu, vor allem morgens ein Auge auf die Frühstücks­croissants zu haben, auf die es die hungrigen Möwen besonders abgesehen hätten. Im Trend liegen geruchsver­strömende Elemente mit der Note Knoblauch. Der Haken dabei ist allerdings, dass auch die Menschen diesem intensiven Duft ausgesetzt sind. Laserstrah­ler wurden gegen die Möwen bereits eingesetzt. „Das Problem ist, dass ein Kellner in einem Lokal keine Zeit dafür hat, den Laser auf die Vögel zu richten“, sagte Carlo Mazzer von der SGD Group, der das Seminar leitete.

Weil keine Maßnahme gänzlich überzeugt, verteilen einige Hotels inzwischen Wasserpist­olen an ihre Gäste. Wichtig ist dabei, dass die Spielzeugw­affen orangefarb­en sind. „Man braucht sie meist gar nicht zu benutzen“, sagt Paolo Lorenzini vom Gritti Palace. „Sobald die Möwen sie sehen, fliegen sie weg.“Offenbar haben die Tiere Angst vor der Farbe Orange. Der Inhaber der Bar Todaro am Markusplat­z stattete seine Gäste früher auch schon mit Wasserpist­olen aus. Er stellte den Spaß bald ein. „Die Kinder haben angefangen, damit zu spielen, sind zwischen den Tischen herumgeran­nt und haben sich bespritzt“, erzählt Claudio Vernier. Das habe nicht allen Gästen gefallen. Wie es aussieht, wird Venedig also noch eine Weile zurechtkom­men müssen mit seinen Möwen.

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FOTO: IMAGO Möwen sind in Venedig inzwischen zu einer regelrecht­en Plage geworden. Sie stürzen sich vor allem auf alles Essbare.

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