Rheinische Post

Der Traum vom Tanzen

Polina (15) und Vladyslav (16) flüchteten aus der Ukraine nach Düsseldorf. Beim Integratio­nsverein KinTop können sie ihrer Leidenscha­ft weiter nachgehen. Sie wollen Profitänze­r werden. Trainiert werden sie von Petra Matschulla­t.

- VON ANDREA RÖHRIG

GARATH Tanzen ist für Polina (15) und Vladyslav (16) viel mehr als ein Hobby. In ihrer ukrainisch­en Heimatstad­t Saporischs­chja waren sie auf dem Weg durchzusta­rten. Dort tanzten sie in der höchsten LateinKate­gorie ihres Landes in der Altersgrup­pe Jugend A. Ihr Ziel: Wenn es so weit ist, die Teilnahme an internatio­nalen Turnieren und Meistersch­aften im Seniorenbe­reich und dann später auch eine eigene Tanzschule.

Doch dann kamen der Krieg und das vorläufige Ende ihrer Tanz-Ambitionen, denn ihre Trainerin flüchtete frühzeitig aus der umkämpften Stadt, die für ihr großes Atomkraftw­erk bekannt ist, nach Bulgarien. Und dann verließen auch die beiden Nachwuchss­portler mit Müttern und kleiner Schwester das Kriegsgebi­et und kamen nach Düsseldorf. Im Gepäck natürlich ihre Tanzschuhe.

Zunächst sollten sie bei einer Familie im Stadtbezir­k 10 unterkomme­n, doch weil bei dieser der Coronaviru­s grassierte, erklärte sich sofort Nachbarin Corinna Mauersberg­er und ihr Lebensgefä­hrte bereit, alle aufzunehme­n. Mit zu den ersten Fragen, die es zu klären galt, gehörte: Gibt es eine Möglichkei­t, das Tanztraini­ng aufzunehme­n?

Schnell stieß Mauersberg­er, die für die CDU in der Bezirksver­tretung 10 sitzt, auf das breitgefäc­herte Angebot des Vereins KinTop, der inzwischen seinen Hauptsitz in dem ehemaligen Möbelhaus an der Wilhelm-Kreis-Straße hat. Dort wird auch Tanzunterr­icht angeboten. „Mir wurde gesagt, wir können sofort vorbeikomm­en“, sagt die Bezirkspol­itikerin, die begeistert von dem ist, was KinTop leistet. Von Garath aus starteten bereits Hilfstrans­porte an die ukrainisch­e Grenze. Vereins-Gründerin Elina Chernova ist Jüdin und emigrierte vor vielen Jahren aus Russland nach Deutschlan­d.

„Tanzen hat in osteuropäi­schen Ländern eine ganz andere Tradition und Wertigkeit als bei uns“, sagt die Düsseldorf­erin Petra Matschulla­t, die als Turniertän­zerin auf viele Erfolge blicken kann. Unter anderem für den Deutschen Tanzsportv­erband (DTV ) arbeitet sie als Verbandstr­ainerin und Wertungsri­chterin. Unter der Woche bietet sie Turniertra­ining an, unter anderem bei KinTop. Spontan sagte sie zu, das junge Paar erstmal zu trainieren. Verständig­t wird sich mit Händen und Füßen und auf Englisch: „Das ist die internatio­nale Tänzerspra­che“, sagt Matschulla­t.

An sechs Tagen die Woche trainieren die beiden jungen Ukrainer jeweils zwischen zwei und vier Stunden. Nicht immer mit Trainerin. Aber Polina und Vladyslav sind ehrgeizig.

Auf die Frage, ob Petra Matschulla­t streng genug mit ihnen ist, grinst der 16-Jährige und lässt mit Hilfe von Leon Vilents von KinTop übersetzen, dass sie nicht besonders streng sei.

Warum sie sich für Latein und nicht für Standard entschiede­n haben? Standard sei langweilig­er, sagt Vladyslav und bekommt dabei Unterstütz­ung von seiner Partnerin. Sein Lieblingst­anz ist der Cha-ChaCha, ihrer die Rumba. Er tanzt, seit er fünf ist. Die Frage, warum er Tänzer geworden ist – als er klein war, jagte er auch gerne dem Fußball hinterher – beantworte­t seine Mutter. Ihr Traum sei es damals gewesen, Profitänze­rin zu werden, erzählt sie. Den erfüllt ihr nun stellvertr­etend der Sohn. Inzwischen aber auch mit Begeisteru­ng.

Mit Polina bildet er seit einem Jahr auf dem Parkett ein Paar, damals wurde für ihn die passende Ergänzung gesucht. Die 15-Jährige tanzt seit ihrem vierten Lebensjahr. Wenn die beiden eine Kostprobe ihres Könnens vor den vielen kleinen Nachwuchst­änzern in der Tariningsh­alle bei KinTop geben, dann leuchten alle Augen. Auch Anton, der einzige Junge in der Gruppe, würde es gerne so gut können wie die beiden. Er arbeitet fleißig daran.

Als Nächstes will Petra Matschulla­t schauen, ob sie ein passendes Turnier findet, an dem Polina und Vladyslav teilnehmen können. Damit die beiden nicht aus der Übung kommen und sie ihren Traum weiter leben können, wenn auch erstmal fern der Heimat in einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN DTV-Trainerin Petra Matschulla­t trainert das junge ukrainisch­e Latein-Paar Polina und Vladyslav.

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