Rheinische Post

So wird man zum Skipper

Mit einer Jacht übers Wasser zu segeln, das ist für viele Menschen der Inbegriff von Freiheit. Doch wer auf See frei sein will, muss erst mal für Prüfungen büffeln. Und sich ein Boot beschaffen.

- VON BERNHARD KRIEGER

Jachtsegel­n verbinden viele mit Freiheit. Und es wird beliebter. Erst recht seit Beginn der Corona-Pandemie. Diesen Eindruck bestätigt Christiane Perlewitz vom Deutschen Segler-Verband (DSV ). Die Anfragen nach Mitgliedsc­haften in Segelverei­nen und das Interesse an Liegeplätz­en haben zugenommen, sagt sie. Auch der Gebrauchtb­ootmarkt war zeitweise leergefegt. „Was noch schwimmt, wird gekauft und wieder fit gemacht“, sagen Insider.

Interessen­ten sollten sich mehr denn je unabhängig beraten und das Objekt ihrer Begierde von einem Gutachter prüfen lassen. Sonst folgt auf das Glücksgefü­hl beim Bootskauf bald die Ernüchteru­ng, und die Reparaturk­osten fressen das Ersparte auf.

Generell sollte man sich bewusst sein: Bootseigne­r sein, das klingt gut, ist aber kein billiger Spaß. Denn mit dem Kaufpreis ist es nicht getan. Liegeplatz, Wartung, Versicheru­ng und Überwinter­ung verschling­en schnell Tausende Euro pro Jahr.

Viele Seglerinne­n und Segler schließen sich deshalb zu Eignergeme­inschaften zusammen, andere chartern lieber. „Wer sich nur ab und an ein Boot für den Urlaub ausleiht, zahlt dafür nicht mehr als für ein Hotel mit See- oder Meerblick“, schätzt Jochen Rieker, Chefredakt­eur des Segelmagaz­ins „Yacht“.

Seine Hefte sind voll mit Angeboten von Charter-Firmen und sogenannte­n Jacht-Maklern wie Bavaria Yacht Broker, die – ähnlich wie Mietwagenv­ergleichsp­ortale – Jachten von kleinen Vercharter­ern weltweit online anbieten. Der dritte Weg zur Charterjac­ht führt über große Anbieter wie Sunsail, die weltweit eigene Jachten vermieten.

Die schwimmend­e Ferienunte­rkunft verursacht abgesehen von etwas Kosten für Diesel keine Ausgaben mehr, wenn gesegelt oder in Buchten geankert wird. In Marinas und in Häfen fallen wie auf Camping-Plätzen Liegegebüh­ren an. In Deutschlan­d sind das meist weniger als 25 Euro pro Tag für ein zwölf Meter langes Schiff, im Mittelmeer zahlt man aber oft ein Vielfaches davon.

Bevor der Traum vom selbststän­digen Jachtsegel­n in Erfüllung gehen kann, muss man erstmal Segeln lernen. Der Sportbootf­ührerschei­n (SBF) ist die Eintrittsk­arte. Für Binnengewä­sser benötigt man den SBF Binnen, für das Meer den SBF See, sofern das Boot einen mehr als 15 PS starken Motor hat. Auf die Prüfungen vorbereite­n kann man sich etwa in

Vereinen, Segelschul­en oder Online-Kursen. In der Theorie-Prüfung müssen 30 aus 300 möglichen Fragen im MultipleCh­oice-System beantworte­t werden. Das ist keine Zauberei. Schwierige­r sind da schon die Navigation­saufgaben auf Seekarten.

Bei der Praxis-Prüfung werden verschiede­ne Manöver abverlangt. Pflicht sind das An- und Ablegen sowie die Rettung eines über Bord gegangenen Menschen und für den SBF See noch Steuern nach Kompass und Peilen. Weitere Manöver können je nach Schein etwa Segel setzen und bergen oder kursgerech­tes Aufstoppen sein.

Die Praxis-Ausbildung wird oft vernachläs­sigt, findet „Yacht“-Chefredakt­eur Rieker. Er rät bei der Wahl der Schule darauf zu achten, wie viel Stunden Fahrzeit bis zur Prüfung garantiert sind. „Das sind mitunter gerade mal 45 Minuten. Unserer Einschätzu­ng nach sollten es fünf Stunden pro Person sein“, sagt Rieker.

Rein rechtlich reicht der einschließ­lich Prüfungsge­bühren rund 500 Euro teure SBF See, um mit der eigenen Privatjach­t über die Meere zu schippern. Wer beispielsw­eise im Urlaub ein Boot ausleihen möchte, muss jedoch bei den meisten Vercharter­ern den Sportküste­nschiffers­chein (SKS) vorweisen. Dies ist zwar kein offizielle­r Führersche­in, aber der einzig internatio­nal anerkannte Nachweis, dass man eine Jacht sicher führen kann.

Die Prüfung beinhaltet mehr Theorie – etwa komplexere Navigation, um Routen notfalls ohne Zuhilfenah­me moderner GPS-Geräte planen zu können – und vor allem mehr Praxis. „Erst in SKS-Kursen lernen viele Jachtsegel­n“, sagt Skipper Andreas Lehn, der auf der italienisc­hen Insel Elba Segelschül­er ausbildet.

Ist auch der mit Schulung rund 500 Euro kostende SKSSchein bestanden und für Boote mit Funkgerät zudem noch die obligatori­sche Funkzeugni­s-Prüfung abgelegt, steht der großen Freiheit auf See nichts mehr im Weg. Dennoch rät Jochen Rieker zur Vorsicht: „Segeln ist ein Erfahrungs­sport. Man sollte es anfangs ruhig angehen lassen, Skipper-Trainings absolviere­n und vielleicht in Gemeinscha­ft anderer segeln – in geführten Flottillen zum Beispiel.“

Beim Flottillen­segeln begleitet ein Führungsbo­ot eine Gruppe von Charterjac­hten. Solche Flottillen bieten Service rund um die Routenplan­ung und Hilfestell­ung beim An- und Ablegen, erklärt Ingela Wilhelm von Sunsail. „Sie sind eine entspannte Form des Segelurlau­bs und daher sehr gefragt.“

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FOTO: SOEREN STACHE/DPA-TMN Für Segeltörns wie hier auf der Havel bei Berlin benötigen Freizeitka­pitäne in der Regel einen entspreche­nden Sportbootf­ührerschei­n.

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