Anregend und abwechslungsreich: Eine Vielfalt an Therapien zum Wohle des Patienten
Acht Wochen dauert eine stationäre psychiatrische Behandlung im Schnitt. Wer niemanden kennt, der psychisch erkrankt ist oder war, kann sich schwer vorstellen, was die Patienten den ganzen Tag über in der Klinik machen. Einzelgespräche oder Gruppensitzungen bilden nur einen Teil des gesamten Programms. Also: Wie sieht eine psychiatrische Behandlung aus
„In der modernen Psychiatrie ist ein wesentlicher Aspekt der Behandlung, dass die Patienten sich wohlfühlen“, erklärt Dr. Marcel Goertz, leitender Oberarzt im Alexius/ Josef Krankenhaus. Dazu gehöre eine angenehme Atmosphäre ebenso wie ein individuelles Behandlungskonzept, das ganz auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist. „Und um ein solch passendes Konzept zusammenstellen zu können, haben wir ein sehr breites Behandlungsangebot“, so Dr. Goertz weiter.
Dazu gehören klassische Therapieformen wie tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie, ebenso Einzel- und Gruppensitzungen sowie die Behandlung mit Psychopharmaka. Aber auch eine Reihe ergänzender Angebote stehen zur Auswahl: „Zum Beispiel Ohr-Akupunktur, Autogenes Training, Aromapflege, Lichttherapie und Pferdetherapie“, listet Dr. Goertz auf und erklärt, was im Einzelnen dahintersteckt:
Was ist eine Aromapflege „Wir versuchen durch die Wirkung von ätherischen Ölen das Wohlbefinden zu steigern, den Schlaf zu fördern, Stress abzubauen, Ängste zu lösen und für Entspannung zu sorgen“, erklärt der Mediziner. So habe Lavendelduft eine schlaffördernde Wirkung. Orangenund andere Zitrusöle dagegen hätten einen stimmungsaufhellenden Effekt, während Rosenduft meist beruhigend wirke. Patienten, die diese Therapie ausprobieren möchten, werden zunächst nach ihren Duft-Vorlieben gefragt. „Denn der Geruch soll das Wohlbefinden steigern, und wer gegen Rosenduft eine Aversion hat, der wird sich dadurch trotz der
beruhigenden Wirkung nicht entspannen können“, sagt Dr. Goertz. Anschließend hat der Patient die Wahl, ob er das jeweilige Aroma „olfaktorisch“– also über den Geruchssinn – oder über die Haut aufnehmen möchte. Die Behandlung erfolgt dann ein- bis zweimal
pro Woche durch eine Pflegefachkraft.
Was passiert bei der Ohr-Akupunktur
„Das Ohr ist wie eine Reflexzone des Körpers“, erklärt der Oberarzt. Das bedeutet, dass jeder Teil des Körpers mit einem bestimmten Areal
im Ohr verbunden ist. Zunge, Nase, Hand, Knie, Blase, Lunge – sie alle finden sich im Ohr wieder. Durch die Akupunktur an der passenden Stelle wird versucht, Schmerzen an diesem Organ oder Körperteil zu lindern, beispielsweise wenn ein Patient ständig Kopfschmerzen
hat und dadurch fortwährend angespannt ist.
Was wird beim Autogenen Training gemacht
Autogenes Training ist ein Entspannungsverfahren. Dabei sagt sich der Trainierende gedanklich einfache Sätze wie „Ich bin ganz ruhig“, „Meine Arme und Beine sind ganz warm“oder „Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig“und wiederholt diese mehrfach. Dadurch kommt der Körper tatsächlich zur Ruhe, es wird Wärme empfunden und Herzschlag und Atmung werden gleichmäßig. „Neben der Entspannung geht es uns aber auch noch um etwas anderes“, sagt Dr. Goertz. Denn beim Autogenen Training werde die Aufmerksamkeit ganz auf einen selbst, auf das Hier und Jetzt gerichtet. „Man nimmt sich selbst wahr und fokussiert sich. Viele Menschen, die psychisch krank sind, können genau das nicht. Sie erkennen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr, sind sich vieler ihrer Handlungen nicht mehr bewusst. Durch das Autogene Training üben sie, sich wieder zu fokussieren“, erklärt er.
Pferdetherapie – nur etwas für Pferdenarren
„Um es vorwegzunehmen: Es ist keine Therapie, bei der man reiten lernt“, betont Dr. Goertz. Im Mittelpunkt steht die Begegnung zwischen Tier und Mensch. Hintergrund dabei ist folgender: Pferde sind Tiere, die unmittelbar darauf reagieren, was sich ihnen bietet. Kommt ein Mensch sehr unsicher auf sie zu, werden sie unruhig. Ist der Mensch zu forsch, zieht sich das Pferd zurück. „Das Pferd spiegelt also das eigene Verhalten wider und sorgt dafür, dass dem Patienten auch unbewusste Verhaltensweisen deutlich werden“, erklärt der Mediziner. Schon viele Patienten hätten ihm von einem Aha-Erlebnis in dieser Therapie berichtet. „Erst durch das Tier haben sie gemerkt, wie ihr Verhalten auf andere wirkt“, so Dr. Goertz weiter. Ein weiterer Vorteil der Tiere: Sie werten und verurteilen den Patienten nicht. Das macht es vielen Teilnehmenden einfacher. „Und das Pferd bietet die Möglichkeit, Veränderungen zu üben, sodass die Patientinnen und Patienten merken, dass sie selbst Einfluss nehmen können.“
Um diese Therapiemöglichkeit zu nutzen, muss man weder ein Pferdenarr noch ein Tierliebhaber sein. „Nur wenn jemand die Tiere ablehnt, ergibt es keinen Sinn“, sagt der leitende Oberarzt. Zudem ist diese Therapie auch nicht schon am Tag eins des stationären Aufenthalts angesagt. Erst wenn die Patienten eine gewisse Stabilität erreicht haben, kommt sie in Betracht.
Mit Licht die Stimmung aufhellen
Bei saisonalen Depressionen, die immer wieder in der dunklen Jahreszeit auftreten, gehört eine Lichttherapie meist ins Angebot. Dabei setzt sich der Patient in der Regel morgens, etwa eine halbe Stunde lang, rund 60 bis 80 Zentimeter entfernt vor eine spezielle Lampe. Sie bildet das gesamte Lichtspektrum ab, außer dem ultravioletten Licht. Der Patient kann dabei lesen oder schreiben und muss nur ab und zu für einige Sekunden pro Minute ins Licht schauen. Klingt schwer zu glauben, doch die Wirksamkeit ist belegt. „60 bis 90 Prozent der Patientinnen und Patienten sprechen auf die Therapie an“, sagt Dr. Goertz. Das Prinzip: Die Lampe simuliert das natürliche Sonnenlicht zur
Mittagszeit. Dieses Licht enthält einen hohen Anteil blauer Farbfrequenzen. Und wenn dieses blaue Licht auf die Netzhaut trifft, sorgt das vereinfacht ausgedrückt dafür, dass vermehrt das Hormon Serotonin ausgeschüttet wird. Dieses wirkt wie ein körpereigenes Antidepressivum. Doch in der dunklen Jahreszeit haben viele Menschen davon zu wenig. Mit der Lichttherapie kann dieser Mangel beseitigt werden.
Was ist die Transcranielle Pulsstimulation
Ein Therapie-Angebot, das sich speziell an Alzheimer-Patienten richtet, nennt sich Transcranielle Pulsstimulation. „Durch kurze präzise Stoßwellen von außen werden bestimmte Gehirnregionen in der Tiefe stimuliert. Dadurch kann eine Veränderung beim Stoffwechsel erreicht und eine Verbesserung der Kognition erzeugt werden“, erklärt Dr. Goertz. Ein Verfahren, das noch relativ neu ist, aber Anlass zur Hoffnung gibt. „Wir haben damit sehr positive Erfahrungen gemacht und konnten bei Demenzkranken erreichen, dass sie wieder vermehrt am Alltag teilnehmen können.“
Die Palette der Therapieangebote im Alexius/Josef Krankenhaus ist damit längst noch nicht erschöpft. Auch Sport und kreative Angebote können die Patienten nutzen. Wichtig: Niemandem wird eine Therapieform aufgedrängt. „Wir überlegen im Team, was für den Patienten infrage kommt und besprechen diese Auswahl mit ihm“, erklärt Dr. Goertz. Und das wird gut wahrgenommen: „Heute sind erkrankte Menschen eher bereit, sich in Behandlung zu geben“, weiß der Oberarzt. Ihre Behandlung ist dann so individuell wie die Menschen selbst.