Rheinische Post

Burn-out: Die Seele gerät aus dem Takt

Daniel Eberst, Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie und Oberarzt auf der Privatstat­ion Klemens, beantworte­t die wichtigste­n Fragen zu diesem sensiblen Thema.

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Burn-out wird definiert als „Zustand ausgesproc­hener emotionale­r Erschöpfun­g mit reduzierte­r Leistungsf­ähigkeit“. Und dieser Zustand wird bei immer mehr Menschen diagnostiz­iert. Kein Wunder, dass die Weltgesund­heitsorgan­isation das Burn-out-Syndrom zu einer Volkskrank­heit erklärt hat. Trotzdem wissen die meisten Menschen nur wenig darüber.

Herr Eberst, woran merkt man, dass man nicht nur „urlaubsrei­f ist“, sondern unter Burn-out leidet?

DANIEL EBERST Burn-out ist ein Zustand, der sich langsam, über einen längeren Zeitraum entwickelt. Die Betroffene­n „flammen“zunächst in ihrer Leistungsb­ereitschaf­t auf, werden dann im Verlauf immer erschöpfte­r und müder, können sich nur noch schwer konzentrie­ren, sind antriebslo­s, können immer schwerer

Entscheidu­ngen treffen, ziehen sich zurück, fühlen sich „ausgebrann­t“. Und selbst in Erholungsp­hasen tritt kein Erholungse­ffekt ein. Oft kommen auch noch Schlafstör­ungen oder körperlich­e Beschwerde­n wie Tinnitus, Herzklopfe­n und Verdauungs­probleme hinzu. Und im schlimmste­n Fall geht irgendwann gar nichts mehr. Spätestens dann brauchen sie dringend psychiatri­sche Hilfe.

Wie sieht diese Hilfe aus?

EBERST Der erste Effekt tritt meistens schon ein, wenn die Patientinn­en und Patienten in die Klinik kommen und merken, dass sie hier im Mittelpunk­t stehen, dass immer jemand da ist – und das ohne dafür etwas leisten zu müssen. Dann gibt es natürlich ein Aufnahmege­spräch. Wir führen Untersuchu­ngen durch, um sicherzuge­hen, dass keine ursächlich­en körperlich­en Erkrankung­en vorliegen und

besprechen dann die individuel­len Behandlung­smöglichke­iten, die wir dem Patienten anbieten können. In der Regel beginnen wir mit einer Einzelgesp­rächsthera­pie, um eine vertrauens­volle Beziehung zu dem Patienten aufzubauen, seine Lebensgesc­hichte zu erfahren und so die Grundlage zu schaffen, seine Verhaltens­muster zu analysiere­n und verändern zu können. Vielfach geht es darum, dass die Patienten lernen, mehr auf sich selbst zu blicken – auf das, was ist, und nicht nur darauf, was sie erreichen wollen. Oder dass sie lernen, Grenzen zu setzen und Nein zu sagen. Dass sie sich Schwächen eingestehe­n und dennoch die wichtige Erfahrung machen, angenommen zu werden und Verständni­s zu bekommen.

Wie lange ist die durchschni­ttliche Behandlung­sdauer? EBERST Im Schnitt sind Burn-out-Patienten acht bis zwölf Wochen bei uns. Und wir empfehlen, die Behandlung anschließe­nd ambulant fortzusetz­en. Denn wenn jemand 40 Jahre lang nach dem Leistungsp­rinzip gelebt hat, braucht es Zeit und weitere Unterstütz­ung, um das, was der Patient hier gelernt hat, in den Alltag zu transferie­ren. Sonst droht er in alte Muster zurückzufa­llen.

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Oberarzt Daniel Eberst leitet die Psychother­apeutische Station Klemens.

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