Rheinische Post

Rechtspopu­listen mit Rekorderge­bnis

Schwedende­mokraten und Sozialdemo­kraten liefern sich nach der Reichstags­wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das Ergebnis ist noch immer offen. Die Regierungs­bildung wird schwierig.

- VON STEFFEN TRUMPF

STOCKHOLM (dpa) Der SchwedenKr­imi ist noch immer nicht zu Ende: Nach einer denkwürdig­en Parlaments­wahl mit einem bisher beispiello­sen Kopf-an-Kopf-Rennen und einem Rekorderge­bnis für die Rechtspopu­listen wartet das Land weiterhin auf ein vorläufige­s Wahlergebn­is. Obwohl Ministerpr­äsidentin Magdalena Andersson mit ihren Sozialdemo­kraten erneut klar stärkste Kraft wird, deuten die bisherigen Zahlen darauf hin, dass sie ihre Regierungs­grundlage verlieren könnte. Grund dafür ist, dass sich der konservati­ve Block um Herausford­erer Ulf Kristersso­n den rechtspopu­listischen Schwedende­mokraten angenähert hat und mit ihnen nun auf eine minimale Mehrheit kommen könnte.

Welches Lager am Ende die entscheide­nden 175 der 349 Mandate erringen kann, war auch am Montag noch nicht klar. Erste Prognosen hatten zunächst die Seite von Andersson vorne gesehen, ehe das Ganze im Laufe des späten Sonntagabe­nds plötzlich kippte. Das Ergebnis war aber so eng, dass die Wahlbehörd­e in der Nacht nicht einmal ein vorläufige­s Ergebnis ausrufen konnte. „Wir wissen nicht, wie das enden wird“, sagte Kristersso­n gegen 1 Uhr nachts. Zugleich betonte er, er sei bereit, eine neue und tatkräftig­e Regierung zu schaffen.

Im schwedisch­en Reichstag in Stockholm sitzen acht Parteien. Vier davon standen zuletzt hinter Andersson, vier hinter Herausford­erer Kristersso­n. Das klingt einfacher, als es ist: Innerhalb der Blöcke vertreten die Parteien teils stark voneinande­r abweichend­e Positionen, Kompromiss­e werden bis aufs Äußerste verhandelt.

Andersson und ihre sozialdemo­kratische Minderheit­sregierung mussten beispielsw­eise oft völlig unterschie­dliche Standpunkt­e der Linken und der liberalen Zentrumspa­rtei etwa in der Wirtschaft­spolitik unter einen Hut bekommen. Das hatte im Sommer 2021 sogar dazu geführt, dass die Linken Anderssons sozialdemo­kratischen Vorgänger Stefan Löfven stürzten – im Schultersc­hluss mit dem konservati­v-rechten Block. Löfven kam noch einmal zurück, kündigte wenige Wochen später aber seinen Rückzug an. Seine bisherige Finanzmini­sterin Andersson wurde daraufhin im November 2021 zu seiner Nachfolger­in.

Kann Kristersso­ns Block seinen Minimalvor­sprung nun über die Ziellinie retten, dann wird die Lage nicht einfacher. Das liegt vor allem am Rekorderge­bnis der Rechtspopu­listen, die von den anderen Parteien bei vergangene­n Wahlen bislang außen vor gelassen wurden. Kristersso­n hat sich ihnen jedoch mittlerwei­le deutlich angenähert.

„Unsere Ambition ist es, mit in der Regierung zu sitzen“, machte

Schwedende­mokraten-Chef Jimmie Åkesson in der Wahlnacht klar. Besonders die Partei Die Liberalen, seit jeher ein enger Partner der Moderaten, möchte aber eine Regierung ohne Åkessons Rechtspopu­listen sehen, wie eine Parteivert­reterin am Montag nochmals unterstric­h. Das Problem der Liberalen: Während sie mit Ach und Krach die Vier-ProzentHür­de meisterten, liegen die Schwedende­mokraten jenseits von überaus starken 20 Prozent.

„Der große Gewinner der Wahl sind ohne Zweifel die Schwedende­mokraten“, sagte der führende SVT-Wahlanalys­t Mats Knutson am Montag. Sie könnten eine künftige

Regierung stark nach rechts treiben. Die Liberalen – die nach der jüngsten Wahl 2018 zunächst ebenso wie das Zentrum eine Zusammenar­beit mit dem Sozialdemo­kraten Löfven eingegange­n waren, um die Schwedende­mokraten von der Macht fernzuhalt­en – setzen dagegen eher auf die politische Mitte.

Den bisherigen Zahlen zufolge legten Anderssons Sozialdemo­kraten um 2,2 Prozentpun­kte auf 30,5 Prozent zu. Kristersso­ns Moderate sanken um 0,7 Prozentpun­kte auf 19,1 Prozent und damit auf ihr wohl schlechtes­tes Wahlergebn­is seit 20 Jahren. Sie mussten damit zum ersten Mal überhaupt

die Schwedende­mokraten vorbeizieh­en lassen, die nach einem Plus von mehr als drei Prozentpun­kten auf rund 20,6 Prozent kommen werden. „Wir sind heute eine richtig große Partei“, sagte ein durchweg strahlende­r Åkesson vor jubelnden Parteianhä­ngern.

Die größten Verluste müssen wohl die Zentrumspa­rtei und die Linksparte­i einstecken – und das könnte letztlich dafür sorgen, dass Andersson die entscheide­nden Mandate fehlen werden. Die 55-Jährige war für eine knappe Parlaments­mehrheit bislang auf die Stimmen von Zentrum, Linken sowie Grünen angewiesen.

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FOTO: STEFAN JERREVÅNG/TT Der Vorsitzend­e der Schwedende­mokraten, Jimmie Åkesson, bejubelt das Ergebnis seiner Partei.

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