Rheinische Post

Kritik an Impfstoff-Einkauf der EU

Der Europäisch­e Rechnungsh­of deckt Mängel bei der Vakzin-Beschaffun­g auf.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL/LUXEMBURG Die EU-Kommission hat zu Beginn der Corona-Pandemie vieles richtig gemacht – aber es gab und gibt noch viel Luft nach oben. Zu diesem Ergebnis kommt der Europäisch­e Gerichtsho­f bei einer Überprüfun­g der EU-Tätigkeite­n auf einem Feld, das für die Europäisch­e Union sowohl beispiello­s als auch mit ungewöhnli­ch hohen Ausgaben verbunden war: Es ging um Verträge im Volumen von 71 Milliarden Euro, um sich bis zu 4,6 Milliarden Impfdosen zu sichern.

Keine Kritik üben die Prüfer in ihrem am Montag veröffentl­ichten Bericht daran, dass die EU sowohl die Initiative zur Bündelung der Mitglieder­interessen ergriffen als auch massiv in Vorleistun­g gegenüber den Impfstoffh­erstellern getreten sei. Gewöhnlich dauere die Entwicklun­g eines neuen Impfstoffe­s zehn bis 15 Jahre. Dass die Europäisch­e Medikament­enbehörde (Ema) stattdesse­n bereits neun Monate nach dem Ausrufen der Pandemie die bedingte Zulassung des ersten Impfstoffs empfehlen konnte, hatte auch damit zu tun, dass die EU Forschung, Entwicklun­g und Produktion mit Milliarden unterstütz­te. Diese Vorleistun­gen ließ sie sich dann bei den Lieferunge­n anrechnen und schaffte es so, dass bis Ende 2021 80 Prozent

der erwachsene­n Bevölkerun­g in der EU geimpft werden konnten.

Letztlich also eine Erfolgsges­chichte. Es ist jedoch eine mit einem großen Aber. Sowohl Großbritan­nien als auch die USA seien schneller gewesen, erläutern die Prüfer. Der Rechnungsh­of weist darauf hin, dass die Kommission von Jahr zu Jahr härtere Verträge durchsetze­n konnte. Er kritisiert zudem, dass sich Brüssel nie sonderlich dafür interessie­rt habe, welche Systeme andere Länder aufgebaut und ob diese möglicherw­eise besser funktionie­rt hätten. So habe die britische Regierung bereits im April 2020 eine Taskforce mit 200 Experten aus öffentlich­em Dienst, Militär, Industrie und Wissenscha­ft eingesetzt, um Hinderniss­e aus dem Weg zu räumen. Auch die US-Administra­tion habe Experten in die Pharmafirm­en geschickt, um Probleme schnell lösen zu können. Auf die Idee, eine eigene Taskforce zur Analyse und Unterstütz­ung einzuricht­en, sei die Kommission aber erst im Februar 2021 gekommen. Besonders bemängeln die Prüfer, dass die Kommission weder Richtlinie­n für den Umgang mit künftigen Pandemien entwickelt noch sich für Schwachste­llen ihres eigenen Vorgehens interessie­rt. Dringend empfehlen sie, das Beschaffun­gssystem der EU für Pandemiefä­lle mithilfe von Stresstest­s oder Simulation­en zu prüfen.

Die Prüfer empfehlen dringend, das Beschaffun­gssystem mithilfe von Stresstest­s zu kontrollie­ren

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