Rheinische Post

Geschichte­n vom Überleben

Im Kulturhafe­n Heerdt skizziert der Verein „Zweitzeuge­n“den Lebensweg von Eva Weyl und Henny Brenner.

- VON NICOLE ESCH

HEERDT Der Zeitzeuge Elie Wiesel sagte einst: „Jeder, der heute einem Zeugen zuhört, wird selbst ein Zeuge werden.“Diese „Zweitzeuge­n“werden heutzutage immer wichtiger, denn nur wenige, die den Holocaust überlebt haben, können noch darüber berichten. Der Verein „Zweitzeuge­n“setzt sich dafür ein, dass (Über) Lebensgesc­hichten nicht vergessen und weitergetr­agen werden. Er organisier­t Workshops, Podcasts, Veranstalt­ungen und Ausstellun­gen zu dem Thema Holocaust.

Die Ausstellun­gen finden meist in großen Räumlichke­iten statt – jetzt aber auch auf kleinstem Raum: in einer Schaufenst­er-Ausstellun­g im Kulturhafe­n Heerdt an der Werftstraß­e 1. „Frau Bahners, die Gründerin des Kulturhafe­ns, hat uns hier auf eine richtig gute Idee gebracht. Vielleicht bestücken wir jetzt mehr Schaufenst­er. Warum nicht mal in einem leerstehen­den Ladenlokal auf der Kö?“, sagt die Mitgründer­in der Zweitzeuge­n, Ruth-Anne Damm. Eine Schaufenst­er-Ausstellun­g sei ein spannendes Format, da es sehr niedrigsch­wellig sei. „In einer Zeit, wo alles schnell gehen muss, ist es immer noch besser, wenn man sich zwanzig Sekunden mit dem Inhalt eines solchen Schaufenst­ers beschäftig­t, als gar nicht. Und vielleicht führt das bei einigen dazu, sich mehr auf das Thema einzulasse­n“, hofft Damm. Und wer das möchte, kann sich per QR-Code gleich weitere Informatio­nen holen.

Zwei der von den „Zweitzeuge­n“gesammelte­n Lebensgesc­hichten zeigt der Kulturhafe­n Heerdt nun. „Ich finde, dass Eva Weyl und Henny

Brenner zwei besonders starke Frauen waren, die eine verständli­che Botschaft haben“, sagt Bahners. Mit ihren 87 Jahren ist Weyl immer noch sehr aktiv und trägt in Schulen ihre Geschichte weiter. Am 23. September kann man sie online bei einem „Zweitzeuge­n“-Gespräch erleben.

Brenner ist schon verstorben. Ihren Sohn erreichen aber immer noch viele Briefe von Kindern und

Jugendlich­en, die für sie bestimmt sind. „Das bedeutet ihm sehr viel“, erzählt Damm. Beispiele für Briefe an Überlebend­e finden sich in der Ausstellun­g ebenso wie Zitate aus Überlebens­geschichte­n. „Sich dem Thema der Schoah über Biografien zu nähern, macht es für viele nicht begreifbar­er, aber greifbarer“, so Damm. Außerdem werden weitere Projekte vorgestell­t, die sich mit dem Thema Holocaust beschäftig­en.

„Das sind tolle Projekte, von denen viele schon mal gehört haben, aber keiner weiß genau, was sie machen. Daher möchte ich sie vorstellen“, sagt Bahners. Komplettie­rt wird die Ausstellun­g durch Buchempfeh­lungen für Jugendlich­e und Erwachsene.

„Es gibt viele Menschen, die Fluchterfa­hrungen haben und immer noch machen müssen. Antisemiti­smus ist auch heute in unserer

Gesellscha­ft gegenwärti­g“, sagt Damm. Daher sei es für die „Zweitzeuge­n“wichtig, jetzt aufzustehe­n, einen Gegenpol zum Rechtspopu­lismus und zur wachsenden Gewalt zu bilden und zu erinnern. „Wir sollten uns nicht in einer nicht existieren­den Sicherheit wägen. So etwas kann immer wieder passieren“, so die Mitgründer­in der Zweitzeuge­n.

Bis zum 14. Oktober 2022 öffnet der Kulturhafe­n seine Vorhänge für die Schaufenst­er-Ausstellun­g.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Ruth-Anne Damm, Mitbegründ­erin des Vereins „Zweitzeuge­n“, hat die Schaufenst­er-Ausstellun­g im Kulturhafe­n Heerdt konzipiert.

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