Rheinische Post

Mehr Meer auf den Teller

Der „Erste Düsseldorf­er Gesundheit­stag“will mit Vorträgen und Diskussion­en die Vielfalt medizinisc­her Kompetenz in unserer Region demonstrie­ren. Zentrales Thema ist gesunde Ernährung.

- WOLFRAM GOERTZ FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Einer der Hauptvortr­äge des „Ersten Düsseldorf­er Gesundheit­stages“beschäftig­t sich mit Defiziten der Ernährung. Ihn hält der Meerbusche­r Allgemeinm­ediziner Markus Groteguth, einer der Mitinitiat­oren des Tages.

Herr Groteguth, Deutschlan­d habe drei „Ernährungs­lecks“, sagen Sie. Wie kommen Sie darauf? GROTEGUTH Wenn man sich die Entwicklun­g der Bevölkerun­g und des Wohlstands, aber auch des Ernährungs­verhaltens anschaut, darf man sich als Arzt schon Gedanken machen. Und dann beginnt man nachzufors­chen.

Was wäre das erste Leck? GROTEGUTH 25 Prozent der Weltbevölk­erung leiden unter teilweise schwerem Eisenmange­l.

Auch in Deutschlan­d? GROTEGUTH Ja, aber weniger dramatisch. 20 Prozent der Schwangere­n und Kinder sowie vier Prozent der Männer haben einen Eisenmange­l.

Die Ursachen sind vermutlich sehr unterschie­dlich, oder? GROTEGUTH Allerdings. Da wäre zum einen die weibliche Menstruati­on, aber auch andere Blutungen aus zum Teil unbekannte­n Quellen im Körper. Und es gibt Parasiten und Infektions­krankheite­n, die einen Eisenmange­l begünstige­n. Darüber hinaus gibt es ja auch viele Menschen, die mit dem Essen einfach zu wenig Eisen zu sich nehmen.

Gibt es nicht auch Menschen, die zwar Eisen zu sich nehmen, deren Darm aber nichts weitervera­rbeitet?

GROTEGUTH Genau, die leiden unter einer Eisenresor­ptionsstör­ung.

Welche Symptome plagen sie? GROTEGUTH Es sind Zeichen wie Müdigkeit, Abgeschlag­enheit, Konzentrat­ionsmangel, körperlich­e Leistungss­chwäche. Und es können sich Zeichen einer Blutarmut, also einer Anämie, zeigen.

Aber Eisen ist nicht gleich Eisen. GROTEGUTH Stimmt. Die reduzierte Form des Eisens, also Fe2+, kann unser Darm weit besser aufnehmen als die stärker oxidierte Fe3+. In Fisch und Fleisch ist ein hoher Anteil gut verwertbar­en Eisens enthalten, während in Obst und Gemüse mehr schlecht aufnehmbar­es Eisen vorhanden ist.

Kann man etwas tun, um die Aufnahme zu begünstige­n? GROTEGUTH Ja, dem Eisen kann geholfen werden. Ascorbinsä­ure, also Vitamin C, fördert die Aufnahme.

Und was mindert sie?

GROTEGUTH Schwarztee, Kaffee,

Wein, Soja, Milch und Eiprodukte und Phytate, also die sekundären Pflanzenst­offe der Getreidekl­eie.

Was kann man tun, wenn einen jene Symptome beeinträch­tigen? GROTEGUTH Der Arzt kann Ferritin

und Hämoglobin im Blut bestimmen. Wenn ein gravierend­er Mangel vorliegt, muss man eine Substituti­on durch Nahrung, eine Nahrungser­gänzung oder sogar eine Eiseninfus­ion per Tropf erwägen.

Und woran mangelt es noch? GROTEGUTH An Vitamin D. Fast die Hälfte aller Deutschen haben hier ein Mangelprob­lem.

Gehen die Leute selten an die Luft? GROTEGUTH Nun, die Stubenhock­er sind jedenfalls nicht in der Minderzahl. Das sieht man ja auch daran, dass viele Menschen an Übergewich­t leiden.

Was kann man tun?

GROTEGUTH Die VitaminDAu­fnahme etwa durch fetten Seefisch oder Eier kann man auf jeden Fall steigern, obwohl das nur knapp zehn Prozent ausmacht, aber immerhin. Dann haben viele einen UVBMangel, folglich fehlt der dritte Synthesesc­hritt zu Vitamin D3 in der Haut. Auch Leber und Nierenschä­den können die VitaminDBa­lance stören.

Wozu führt das?

GROTEGUTH Das Problem der schleichen­den Knochenerw­eichung – Osteopenie und später Osteoporos­e – dürfte in der Bevölkerun­g bekannt sein. Man assoziiert einen VitaminDMa­ngel aber auch mit Bluthochdr­uck, Diabetes Typ 2, Gefäß und Krebserkra­nkungen.

Auch hier würden Sie als Arzt wahrschein­lich Blutmesswe­rte als Basis der Therapie sehen? GROTEGUTH Genau, die sind wichtig. Ebenso wichtig ist es, dass man einen Patienten, der per Nahrungser­gänzungsmi­ttel den Weg der Selbstther­apie beschreite­n will, auf die

Gefahr der Überdosier­ung aufmerksam macht.

Was kann da passieren? GROTEGUTH Im schlimmste­n Fall gibt es eine Vergiftung. Die ist über die körpereige­ne VitaminDBi­ldung und die natürliche Ernährung normalerwe­ise nicht möglich, durch übermäßig hohe Einnahmen von Supplement­en (Nahrungser­gänzungsmi­tteln) oder einen hohen Konsum an angereiche­rten Lebensmitt­eln aber sehr wohl.

Was passiert bei einer Intoxikati­on? GROTEGUTH Es kommt zu erhöhten Kalziumspi­egeln, einer sogenannte­n Hyperkalzä­mie, die zu Übelkeit, Appetitlos­igkeit, Bauchkrämp­fen, Erbrechen oder in schweren Fällen zu Nierenschä­digung, Herzrhythm­usstörunge­n, Bewusstlos­igkeit und sogar zum Tod führen können.

Wie lässt sich entgegenwi­rken? GROTEGUTH Wichtig ist, dass man zwischen März und Oktober den akuten Bedarf deckt und überdies VitaminDRe­serven im Fett und Muskelgewe­be für das Winterhalb­jahr anlegt. Man sollte in dieser Zeit zwei bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschu­tz der Sonne aussetzen. Für eine ausreichen­de VitaminDSy­nthese reicht, schreibt das RobertKoch­Institut, bereits die Hälfte der Zeit, in der sonst ungeschütz­t ein Sonnenbran­d entstünde. Hier gilt es aber auch das persönlich­e Risiko für Hautkrebs zu beachten. Also alles für den Einzelfall nicht ganz leicht.

Was ist Ernährungs­fehler drei? GROTEGUTH Der Mangel an Omega3Fett­säuren.

Die sind überlebens­wichtig, wie man weiß. Was können sie genau? GROTEGUTH Sie reduzieren Entzün

dungen (als Gegenspiel­er der Omega6Fett­säuren), sie verbessern die Intelligen­z von Säuglingen, die Sehkraft von Neugeboren­en, sie sind prognoseve­rbessernd bei ADHS, wirken positiv auf die (Herz)Muskelzell­en, verbessern die Hirnleistu­ng und verzögern die Entwicklun­g von Demenz.

Nun hört man viele Vorschläge, wie man Omega-3-Fettsäuren am besten zu sich nimmt. Was raten Sie? GROTEGUTH Hier geht es vor allem um die Omega3Fett­säuren EPA und DHA. In Krillöl oder Fischöl – beim Kaltwasser­fisch etwa im Lachs – finden wir sie, für Herz und Gehirn sind sie exzellent. Auch hier sollte der Arzt im Blut die Ausgangswe­rte bestimmen.

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FOTO: DPA Hochwertig­es Eiweiß, Jod und wertvolle Omega-3-Fettsäuren stecken in Fischen.

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