Hypnose aus Riesenaugen
Elisabeth Brockmann begeistert in vielen Städten mit Leuchtkästen und Fotoprints. Auch für ihre Wahlheimat Düsseldorf hat sie große Ideen.
DÜSSELDORF Elisabeth Brockmann ist eine Künstlerin der Baukunst, die mit Leuchtkästen und Fotoprints arbeitet. Sie spielt mit der Realität im Zeitalter der Virtualität. Die 67-Jährige hatte ihre ersten Auftritte bei Galeristen wie Rüdiger Schöttle, Rolf Ricke, Jörg Johnen und Bernhard Wittenbrink, gastierte in Paris und Linz, im Haus der Architekten und im Münchener Marstall-Theater, wo sie mit einer Spiegel-Bühnenkonstruktion für Hanna Schygullas Soloauftritt das Publikum begeisterte. Aber als sie auf Anraten von Freunden Mitglied im Künstlerverein Malkasten werden wollte, lehnte der Vorstand unter Robert Hartmann dies im Juni 2019 ab. Gönnerhaft hieß es, sie könne als Gast bei den Künstlerabenden teilnehmen.
Seit 1974, als sie ihr Studium bei Gerhard Richter begann, lebt sie in Düsseldorf. Die Malerei langweilte sie allerdings. Sie fotografierte lieber Ikonen der Film- und Kunstgeschichte als Schwarzweiß-Negative, zog sie ab, bemalte sie mit EiweißLasurfarben und arrangierte sie zu Fotomontagen. Bekannt wurde sie mit Köpfen von Schaufensterpuppen, die in den 1980er-Jahren von den Dekorateuren ausrangiert wurden. Sie bearbeitet sie so lange, bis magische Blicke aus riesigen Augenpaaren entstanden, die die Passanten hypnotisieren.
Heute werden ihre Filme digitalisiert und im Computer bearbeitet, sodass die Mimik bloßer Puppen real und irreal zugleich ist. Die Figuren leben auf und scheinen den Betrachter anzuschauen. Damit machte die Künstlerin selbst im Kulturpalast Warschau Furore. Doch als jetzt ein Grundsatzpapier zum Wohle eines bundesdeutschen Fotoinstituts in Düsseldorf herauskam, tauchte ihr Name in der langen Künstlerliste nicht auf, im Gegensatz zu Becher-Schülerinnen, die etwa Kinderärztin oder Lehrerin geworden sind.
Brockmann reagiert pragmatisch, nach dem Motto: Wer nicht will, der hat schon. Aber sie macht es sich nicht leicht. Über dem Reinoldi-Lichthof im Baukunstarchiv Dortmund verwandelte sie die gläserne Decke in leuchtende Farbflächen, die an frühe Computerspiele erinnerten. Das Glasdach glühte wie ein gigantisches, abstraktes Gemälde, fing sich in 21 großen Spiegeln und erweiterte den Raum ins Unendliche. Doch das Leuchten des fragilen Glasdachs brachte die Künstlerin und ihre Mitarbeiter ins Schwitzen, mussten sie doch zum Verteilen der Folien unter Dachstreben hindurchkriechen.
Seit 20 Jahren grüßen die Leuchtschirme mit den hochaufgelösten Großformatdrucken aus dem Mauerwerk des Albertinum in Dresden. In speziell dem Baukörper angepassten Halterahmen zitieren sie Gemälde aus dem Museum wie Max Beckmanns Gräfin vom Hagen
oder Curt Querners Selbstbildnis. Bewundert werden die großen Augen in der Fassade des ReissEngholm-Museums in Mannheim, die aufgeblasene Porzellanfigur im
Kölner Museum für Angewandte Kunst, aber auch der kleine Christuskopf am Bahnhof von Friedberg. Dort tauchten 2014 zum 750-jährigen Stadtjubiläum überlebensgroße Heilige oder Schmerzensmänner als Leuchtobjekte an öffentlichen Gebäuden, an der Wallfahrtskirche und dem Wittelsbacher Schloss auf. Die Gnadenbilder hatte sie fotografiert und Ausschnitte davon als Leuchtkästen in die jeweilige Architektur eingelassen. Wie neue Bewohner grüßten die Bildträger aus bedrucktem Acrylglas oder Spezialplane, durch LED-Technik hinterleuchtet.
Auch für Düsseldorf entwarf sie Porträts für das Schauspielhaus und das benachbarte Dreischeibenhaus. Letzteres wäre, so Brockmann, mit seinen versetzten Scheiben ideal geeignet, denn sie hätten den Gesichtsausdruck permanent verändert, sobald der Besucher die Architektur umrundet: „Man hätte nie das gesamte geschlossene Gesicht wahrgenommen, sondern nur drei mit Gesichtsteilen bedruckte Planen, die sich aufeinander und gegeneinander geschoben hätten.“Gedacht war an einen speziellen Kunststoff, der jeder Witterung standgehalten hätte. Eine Firma aus Dresden, die schon zu DDR-Zeiten Riesenbanner herstellte, sollte die winddurchlässigen Planen herunterhängen lassen. Die Ablehnung erfolgte erstmals, als noch der Tausendfüßler stand. Vermutlich fürchtete man, so Brockmann, Autofahrer könnten vom Großbild abgelenkt werden. Aber auch beim zweiten Versuch, als es keinen Tausendfüßler mehr gab, lehnte der Grundstückseigentümer ab.
Beim Schauspielhaus wollte sie einen Beamer auf einen Drehmotor stellen: „Das Schauspielhaus besteht ja auch aus drei Scheiben, drei übereinander versetzten Zylindern.“Der Beamer hätte sich um die eigene Achse gedreht. Dadurch wäre das projizierte Gesicht über die Fassade gekrochen. Sie bot das Projekt dem Theater vergeblich an. Nun plant sie für die Apsis der Kunststation St. Peter in Köln ein 17 Meter großes Blütenherz.