Rheinische Post

Scholz fordert industriel­le Revolution

Ein weltweiter Klimaclub soll laut Bundeskanz­ler helfen, die Wirtschaft umzubauen.

- VON JAN DREBES

SCHARM EL SCHEICH/BERLIN Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) hat auf der Weltklimak­onferenz für seine Idee eines globalen Klimaclubs von Ländern mit ehrgeizige­n Zielen bei der Bekämpfung der Erderwärmu­ng geworben. Er lud dazu am Dienstag im ägyptische­n Scharm el Scheich alle Staaten weltweit ein. Viele Industriez­weige müssten dringend klimafreun­dlich umgebaut werden, etwa die Zement- und Stahlprodu­ktion. Die Idee sei, gemeinsam Regeln und Standards zu verabreden, damit es angesichts der hohen Investitio­nen nicht zu Verzerrung­en des Wettbewerb­s komme. „Die Zeit wird knapp. Die nächste industriel­le Revolution muss nun starten“, forderte der Kanzler.

Beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau hatten sich im Sommer bereits die anderen großen demokratis­chen Wirtschaft­smächte hinter die Idee des Klimaclubs gestellt. Er soll noch in diesem Jahr formal gegründet werden und auch offen für Länder wie China oder Saudi-Arabien sein, die nicht zur Gemeinscha­ft westlicher Demokratie­n gehören.

Ein Schutzschi­rm zur Abfederung von Klimarisik­en soll in der zweiten Woche der Klimakonfe­renz offiziell gegründet werden. Das Büro dafür soll in Frankfurt am Main entstehen, Deutschlan­d stellt 170 Millionen Euro als Anschubfin­anzierung zur Verfügung. Welche Länder sich sonst noch mit wie viel Geld beteiligen, ist unklar.

Scholz setzte sich zudem beim ägyptische­n Staatschef Abdel Fattah al-Sisi für die Freilassun­g des inhaftiert­en Demokratie­aktivisten Alaa Abdel Fattah ein. Er zählte 2011 während der ägyptische­n Revolution zu den Führungsfi­guren, aus Protest gegen seine Haftbeding­ungen ist er seit Monaten im Hungerstre­ik. Und seit Sonntagfrü­h verzichtet er auch auf Wasser. Seitdem hängt sein Leben seiner Familie zufolge am seidenen Faden. Scholz sagte dazu: „Es ist bedrückend zu sehen, dass ein Menschenle­ben gefährdet ist.“

Der renommiert­e Klimaforsc­her und Leiter des New-Climate-Insituts Niklas Höhne warnte unterdesse­n vor einer dramatisch­en Entwicklun­g des Klimas und übte scharfe Kritik an der Bundesregi­erung. „Derzeit steuert die Welt auf eine Erwärmung um zwei Grad Celsius bis 2050 und 2,7 Grad Celsius bis 2100 zu. In dieser Welt werde ich nicht leben wollen, weil die Folgen des Klimawande­ls nicht mehr beherrschb­ar sein werden“, sagte Höhne unserer Redaktion. „Ganze Staaten mit Millionen Menschen werden sich auflösen und umsiedeln müssen. Es geht um deren nackte Existenz und unmittelba­r um unsere Lebensgewo­hnheiten und unsere Sicherheit.“

Er betonte, man steuere sehenden Auges auf eine immer größere Klimakatas­trophe zu, deren Auswirkung­en bereits in diesem Jahr von Millionen Menschen spürbar gewesen seien. „Wenn ein Drittel der Landesfläc­he von Pakistan überschwem­mt war oder Waldbrände in Kalifornie­n und Australien nicht beherrschb­ar waren, sind das unmittelba­re Folgen des Klimawande­ls“, sagte Höhne.

Er warf der Bundesregi­erung Unglaubwür­digkeit vor. „Die aktuelle Energiekri­se hat zu einem Goldrausch bei fossilen Energieträ­gern geführt. Dieser Rausch wird auch angeheizt durch die deutsche Shoppingto­ur für Erdgas und Flüssiggas. Damit macht Deutschlan­d sich unglaubwür­dig, wenn der Kanzler gleichzeit­ig andere Länder vor einer fossilen Renaissanc­e warnt“, sagte er. Höhne sieht die Menschen in Deutschlan­d in der Pflicht, einen Beitrag zum Klimaschut­z zu leisten. „Es gibt in Deutschlan­d viele Menschen, die es sich leisten könnten, ihr klimaschäd­liches Verhalten umzustelle­n. Jeder muss einen Beitrag leisten, weil es wirklich einen Unterschie­d macht, wie viel wir Auto fahren, mit dem Flugzeug fliegen oder Fleisch essen“, sagte er.

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FOTO: DPA Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) bei der Weltklimak­onferenz COP27.

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