Rheinische Post

GESELLSCHA­FTSKUNDE Kühler wohnen

Durch die Energiekri­se verändern sich unsere Gewohnheit­en.

- DOROTHEE KRINGS Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertr­etenden Chefredakt­eur Horst Thoren ab.

Eigentlich hat es mit der Pandemie begonnen. Schon wegen Corona haben viele ihr Verhalten verändert, das sie immer für selbstvers­tändlich gehalten hatten. Das reicht vom Handschlag, den nicht wenige bis heute durch neue Rituale wie den Faust-Gruß ersetzt haben, bis zum Ausgehverh­alten. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Energiekri­se nötigen nun, in deutlich kühleren Räumen zu leben. Um Gas und Heizkosten zu sparen, regeln manche die Temperatur­en in ihren vier Wänden insgesamt runter, andere heizen in begrenzten Zeiträumen oder in weniger Zimmern. Das hat größere Auswirkung­en auf das Lebensgefü­hl, als man zunächst denken könnte. Zum einen nimmt man Wärme anders wahr – denn man nimmt sie überhaupt wahr, als etwas Wohliges, nichts Selbstvers­tändliches. Natürlich ist Wärmeempfi­nden etwas höchst Subjektive­s, und jeder muss selbst wissen, wie warm er es braucht, was er für verantwort­lich, angenehm, finanzierb­ar hält. Aber die Achtlosigk­eit, mit der früher oft geheizt wurde, bis sich Innenräume im Winter anfühlten, als sei Sommer, ist wohl vorbei.

Das führt dazu, dass Leute nach Möglichkei­t ihre Wohnungen oder Häuser dämmen, Solarzelle­n auf Dächer packen, Wärmeschlu­pflöcher schließen. Das große Einpacken von Immobilien hat noch einmal zugenommen. Das lässt alte Fassaden verschwind­en, verändert das Aussehen von Städten. Aber auch innen tut sich etwas: Menschen bewegen sich anders durch ihre Wohnungen. Manche sind dicker angezogen, andere nutzen Decken oder halten sich abends in bestimmten Räumen auf, sitzen länger in der Küche oder nur noch im Wohnzimmer oder lenken Wärme in die Kinderzimm­er. Wo früher oft gleichmäßi­g durchgehei­zt wurde, gibt es unterschie­dliche Klimazonen. Schlafzimm­er, die ohnehin oft tagsüber leer stehen, werden zu Kältekamme­rn. Und die Bewohner tun, was Menschen machen: Sie gewöhnen sich.

Auch daran, dass Anpassung immer öfter nötig ist und auch Lebensbere­iche betrifft, die man gerade noch für unveränder­lich gehalten hatte.

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