Der gordische Knoten der Koalition
So vehement wie die Koalition mit der Opposition derzeit über das Bürgergeld streitet, gerät der große interne Atom-Krach der AmpelRegierung etwas in Vergessenheit. Doch der Bundestag diskutierte am Mittwoch erstmals über die geplante Laufzeitverlängerung für die verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke. Sie sollen wegen der Energiekrise nicht wie ursprünglich geplant nur bis zum Jahreswechsel, sondern noch bis Mitte April laufen. Zur Erinnerung: In diesem Streit über die Laufzeitverlängerung der AKW musste Bundeskanzler Olaf Scholz das schärfste Schwert eines Kanzlers, seine Richtlinienkompetenz, ziehen. Aber ist das Thema mit dem Bundestagsbeschluss, der am Freitag erfolgen soll, beigelegt? Deutschland ist in diesem Winter und im nächsten Winter voraussichtlich noch viel stärker auf jede Kilowattstunde Strom angewiesen. Kann man auf die AKW verzichten?
Das hängt von vielen Fragen ab, die – Stand jetzt – noch nicht abschließend beantwortet sind. Wie kommt der Ausbau der Erneuerbaren voran? Klappt die Anlandung von Flüssiggas, wie viele LNG-Terminals sind einsatzbereit? Liefern Norwegen und die Niederlande weiter nach Deutschland? Werden die AKW in Frankreich wieder anlaufen, oder braucht es nach wie vor Gas zur Verstromung? Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonte im Bundestag, Atomkraft könne „einen Beitrag leisten, besser über den Winter zu kommen – einen kleinen Beitrag“. Ihr Gesetzentwurf mache zugleich deutlich, „dass es beim Atomausstieg in Deutschland bleibt, Punkt“. Man muss nun nicht besonders prophetisch veranlagt sein, um Folgendes zu prognostizieren: Der Beschluss hat eine Laufzeit bis zum Frühjahr. Und dann wird der Streit von Neuem beginnen, wenn sich die Energieversorgung bis dahin nicht entschieden gebessert hat. Der gordische Knoten der Koalition ist noch nicht durchschlagen.