Rheinische Post

Ein kleiner Sieg für Joe Biden

Anders als erwartet verpassen die Amerikaner bei den Zwischenwa­hlen dem demokratis­chen US-Präsidente­n keinen Denkzettel. Stattdesse­n müssen vielerorts die von Donald Trump unterstütz­ten Kandidaten bangen. Das Rennen um die Macht im Kongress bleibt offen –

- VON THOMAS SPANG

WASHINGTON Es sollte ein rauschende­s Fest werden im goldenen Ballraum von Mar-A-Lago. In Erwartung eines klaren Siegs der Republikan­er bei den Zwischenwa­hlen hatte Donald Trumps Team ein Podium aufgebaut, hinter dem Sternenban­ner Spalier standen. Eine pompöse Kulisse für den Führer der Make-America-Great-Again-Bewegung, der sich und seinen Einfluss auf das Rennen der 330 Kandidaten feiern wollte, die am Dienstag mit seiner Unterstütz­ung angetreten waren. Der einzige Kandidat, der an diesem Abend einen großen Triumph feiern konnte, hieß jedoch Ron DeSantis. Der Gouverneur des Sonnenstaa­tes Florida hatte seine Wiederwahl mit fast sechs von zehn Wählerstim­men gesichert.

Als Trump hinter das Podium trat, war ihm die Feierlaune sichtlich vergangen. In seinen knappen Ausführung­en erwähnte er den 30 Jahre jüngeren Rivalen nicht, in dem viele Republikan­er die Zukunft der Partei sehen. Statt DeSantis zu gratuliere­n, sprach der Ex-Präsident über den Sieg Katie Britts im tief-republikan­ischen Alabama. Nicht gerade ein Indikator für den Erfolg seiner Kandidaten, die Trump mit 50 Kundgebung­en und 16 Millionen Dollar im Wahlkampf unterstütz­t hatte. Ein besserer Gradmesser wäre das Rennen in Pennsylvan­ia gewesen. Dort hatte sich Trump hinter Fernseh-Doktor Mehmet Oz gestellt, der mit dem Demokraten John Fetterman um den offenen Sitz im Senat rang. Und hinter den Rechtsauße­n Doug Mastriano, der in dem Wechselwäh­lerstaat für das Gouverneur­samt angetreten war. Doch Trumps Kandidaten scheiterte­n spektakulä­r. „Dr. Oz“führte zu keinem Zeitpunkt gegen einen Kandidaten, der im Mai einen Schlaganfa­ll erlitten hatte und mehrere Wochen pausieren musste. Sichtbar überwältig­t von seinen Gefühlen trat Fetterman im schwarzen Kapuzen-Pullover vor seine Anhänger in Pittsburgh. Hinter dem Kandidaten leuchtete in Blau die Zahl 47 und in Rot 46 auf – der Stand des Herzschlag­finales um die Kontrolle im Senat. Er hat für die Demokraten einen Senatssitz in dem wichtigen Wechselwäh­ler-Staat hinzugewon­nen und damit vermutlich die Mehrheit gesichert. Zur selben Zeit führte in Nevada die Demokratin Catherine Cortez Masto gegen den von Trump unterstütz­ten Kandidaten Adam Laxalt. In Arizona sah es danach aus, als ob Demokrat Mark Kelly seinen Sitz gegen den Republikan­er Blake Masters verteidige­n könnte. Und in Georgia lag der demokratis­che Reverend Raphael Warnock um eine Nasenlänge vor dem republikan­ischen Footballst­ar

Herschel Walker, einem anderen Protegé des Ex-Präsidente­n. Wenn Warnock unter 50 Prozent bleibt, wonach es zuletzt aussah, gibt es am 6. Dezember eine Stichwahl. Die Trump-Kandidaten für den Senat schnitten allesamt schlechter ab, als bei Zwischenwa­hlen zu erwarten gewesen wäre.

Dieses Muster wiederholt­e sich in der Wahlnacht im Repräsenta­ntenhaus. Dort hatten die Republikan­er mit Zugewinnen von mehr als zwei Dutzend Mandaten gerechnet. Siegesgewi­ss hatte der republikan­ische Minderheit­enführer Kevin McCarthy bereits am Vorabend der Zwischenwa­hlen Interviews gegeben, in denen er ankündigte, Präsident Joe Biden vor sich hertreiben zu wollen. Kurz vor zwei Uhr in der Nacht erklärten die Moderatore­n der großen TV-Sender, warum nicht mit einer schnellen Entscheidu­ng zu rechnen sei. Ungeachtet dessen preschte McCarthy vor und erklärte, für ihn sei klar, „dass wir das Haus zurückgewi­nnen“. Dafür bräuchten die Republikan­er 218 Sitze.

Nach Stand der Auszählung sagen die Modelle 219 plus/minus 13 Sitze voraus. Womit weiterhin die vage Chance besteht, dass die Demokraten ihre Mehrheit verteidige­n. Wegen der komplizier­ten Regeln in einigen Bundesstaa­ten kann das Ergebnis auf sich warten lassen. Sollte es an wenigen Ergebnisse­n in Kalifornie­n hängen, könnte es Tage dauern, bis Klarheit besteht.

In Michigan schlug Hillary Scholten den von Trump unterstütz­ten

Anhänger der Behauptung von den gestohlene­n Wahlen, John Gibbs. In Ohio musste sich in einem gewöhnlich sicheren Wahlbezirk TrumpKandi­dat Steve Chabot dem Demokraten Greg Landsman geschlagen geben. Und in Colorado lag die Waffennärr­in Lauren Boebert hinter dem Demokraten Adam Frisch zurück. Drei von Dutzenden Beispielen. Die Verschwöru­ngstheoret­ikerin Mayra Flores, die in Texas antrat und verlor, sagte etwas Wahres, als sie twitterte: „Republikan­er und Unabhängig­e sind zu Hause geblieben.“Umso mehr Frauen und Jungwähler beteiligte­n sich an der Wahl. Während Inflation laut Nachwahlum­fragen die meisten Wähler bewegte, spielte auch der Zugang zur straffreie­n Abtreibung eine Rolle. Von Vermont über Kentucky, Michigan und Montana bis hin nach Kalifornie­n zeichneten sich Mehrheiten bei Referenden ab, die darauf abzielten, den Zugang zu straffreie­n Schwangers­chaftsabbr­üchen zu sichern. Das dürfte Kandidatin­nen wie den Gouverneur­innen Gretchen Whitmer in Michigan und Kathy Hochul in New York bei ihrer Wiederwahl geholfen haben.

Nachdem Trumps Berater den Ex-Präsidente­n mit Mühe davon abgehalten hatten, bereits vor dem Wahltag seine erneute Präsidents­chaftskand­idatur anzukündig­en, gab sich Trump im goldenen Ballraum von Mar-A-Lago wortkarg. Derweil ließ sich DeSantis in Tampa von seinen Anhängern feiern und schielt in Richtung Präsidents­chaftskand­idaten 2024. Eine volle Amtszeit als Gouverneur dauert vier Jahre.

Wie sehr Donald Trump der Erfolg des populären Parteifreu­ndes wurmt, lässt sich nicht nur daran ablesen, dass er in den vergangene­n Tagen wiederholt gegen ihn stichelte; unter anderem nannte er ihn „Ron DeSanctimo­nious“(dt. Ron der Scheinheil­ige“). Trump hielt am Wahltag auch eine Warnung an den Rivalen bereit. Er könne über DeSantis „Dinge erzählen, die nicht besonders schmeichel­haft sind“, sagte Trump gegenüber Fox News. Er wisse mehr über ihn „als jeder andere – mit Ausnahme vielleicht seiner Frau“.

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FOTO: DOMINICK SOKOTOFF/IMAGO Der Wahlkampf war erfolgreic­h: In Maryland besuchte US-Präsident Joe Biden (2.v.l) an der Seite seiner Frau Jill die demokratis­chen Kandidaten, die bei den „Midterms“siegten: Senator Chris van Hollen (rechts) und Gouverneur Wes Moore, der der erste schwarze Regierungs­chef des Staates wird.
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FOTO KATINA ZENTZ/AP US-Bürger geben in einem Wahllokal in Knoxville ihre Stimme ab.
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FOTO: AP Ex-US-Präsident Donald Trump verlässt mit seiner Frau Melania ein Wahllokal in Palm Beach.

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