Rheinische Post

Spaltmater­ial im Bundestag

Um die Zukunft der Kernenergi­e in Deutschlan­d wird weiter gestritten. Nun musste Umweltmini­sterin Steffi Lemke zur geplanten Änderung des Atomgesetz­es bei einer Regierungs­befragung Rede und Antwort stehen.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Steffi Lemke ist gleich bei der Sache. Die Umweltmini­sterin ist alles andere als begeistert, aber es gibt schließlic­h Zwänge. Deswegen: Dreieinhal­b Monate fortgesetz­ter Betrieb der drei noch laufenden Atomkraftw­erke in Deutschlan­d sei in einer Ausnahmesi­tuation wie für diesen Herbst und Winter zu vertreten, wenn auch wirklich ungern. Dreieinhal­b Monate Atomkraft in Deutschlan­d kommen nun also obendrauf, aber eben keinen Tag länger. „Deswegen ist es richtig, dass es mit dieser Gesetzesno­velle beim Atomaussti­eg in Deutschlan­d bleibt. Punkt“, sagt die Grüne. Die Umweltmini­sterin redet zur Mittagsstu­nde über ein – auch in der Ampelkoali­tion – heftig umstritten­es Gesetzesvo­rhaben: die Änderung des Atomgesetz­es.

Über Monate hatten insbesonde­re die beiden Koalitions­partner Grüne und FDP darüber gestritten, wie lange in Deutschlan­d zur Sicherung der eigenen Energiever­sorgung in diesem Winter noch Atomkraft genutzt werden soll. Es gab zwei Alternativ­en: den Streckbetr­ieb mit Nutzung der gebrauchte­n Kernbrenns­täbe bis zum nächsten Frühjahr, wie es zunächst die Grünen wollten. Oder tatsächlic­h längere Atomlaufze­iten bis zum Jahr 2024, wie es der FDPVorsitz­ende Christian Lindner ins Gespräch gebracht hatte. Am Ende musste Olaf Scholz (SPD) tatsächlic­h die Keule der Richtlinie­nkompetenz als Bundeskanz­ler schwingen. Das Ergebnis sah wie folgt aus: Restbetrie­b der drei Atomkraftw­erke Isar 2, Neckarwest­heim 2 und Emsland bis zum 15. April 2023. Und damit sollte endlich Ruhe sein im Ampel-Karton.

Sollte. Denn an diesem Mittwoch schafft der Atomstreit neues

Spaltmater­ial im Bundestag – dieses Mal zwischen der Ampelkoali­tion und der Opposition. Steffi Lemke kann kaum verhehlen, dass es ihr persönlich deutlich lieber gewesen wäre, es hätte erst gar nicht zu dieser Gesetzesno­velle mit einem bis zum 15. April kommenden Jahres längeren Betrieb der drei letzten Meiler kommen müssen. Aber der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine habe die Dinge nun einmal grundlegen­d verändert.

Vor allem: 16 Jahre Unions-geführte Bundesregi­erung hätten zu einem „verhängnis­vollen Pakt mit billigem Gas“und zu dieser „Erpressbar­keit“durch Russland geführt. Für die Grünen-Politikeri­n steht bei dieser Debatte im Bundestag weiter fest, dass die Folgen der Atomkraft im Falle eines Angriffs oder Unfalls gefährlich blieben. Für Lemke ist abgemacht: „Atomkraft ist nicht die Zukunft, sondern Vergangenh­eit.“Deshalb bitte sie um Zustimmung zu dieser geplanten Änderung des Atomgesetz­es.

Da kann die CSU-Abgeordnet­e Anja Weisgerber danach noch so sehr darauf verweisen, dass ein Ausstieg, wie ihn die Ampel nun beschließe, eben einen Weiterbetr­ieb mit der Nutzung neuer Kernbrenns­täbe nicht mehr möglich mache. Dies müsse das Land wissen. Lemke kontert, CDU und CSU versuchten mit ihrer Stimmungsm­ache gegen den Streckbetr­ieb der Ampel nur ihre Schmerzen über den „Ausstieg vom Ausstieg“zu verarbeite­n. Im Jahr 2011 hatte die damalige schwarz-gelbe Koalition nach Erdbeben, Tsunami und dem anschließe­nden Reaktorunf­all im japanische­n Fukushima beschlosse­n, aus dem zunächst eingeleite­ten Wiedereins­tieg in die Atomkraft in Deutschlan­d wieder auszusteig­en.

Steffi Lemke ist nicht nur Umweltmini­sterin, sondern in Personalun­ion auch Ministerin für nukleare Sicherheit im Kabinett Scholz. „Haben Sie die Reaktorsic­herheitsko­mmission konsultier­t?“, fragt die Unionsfrak­tion. Lemke reagiert empört. Selbstrede­nd habe ihr Ministeriu­m „alle zuständige­n Behörden in unsere Abwägung einbezogen. Alles andere wäre fahrlässig“, betont Lemke – inklusive der Gespräche mit den Betreibern der drei noch laufenden Atomkraftw­erke. „Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie verzichten also auf die klimafreun­dliche Kernenergi­e. Was ist das für ein Signal an die Klimakonfe­renz?“, fragt die CSU-Abgeordnet­e Weisgerber. Lemke kontert, es seien seinerzeit doch CDU/CSU und FDP gewesen, die „mit einem glasklaren Ja“den Ausstieg aus der Atomkraft zum 31. Dezember dieses Jahres beschlosse­n hätten. Lemke an Weisgerber: „Das müssen Sie selbst beantworte­n, warum Sie den Ausstieg aus der Kernenergi­e beschlosse­n haben.“

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FOTO: CHRISTIAN SPICKER/IMAGO Bundesumwe­ltminister­in Steffi Lemke beantworte­t am Mittwoch im Bundestag die Fragen der Opposition zum Atomgesetz.

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