Rheinische Post

Der Bundestag soll familienfr­eundlicher werden

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Wenn die Betreuung fehlt, bringen Abgeordnet­e ihre Kinder auch schon mal mit ins Parlament. So hatte kürzlich der Grüne Anton Hofreiter seinen einjährige­n Sohn auf dem Schoß, als er den Europaauss­chuss leitete. Wegen eines Kita-Problems nahm am Dienstag auch seine Parteifreu­ndin Katharina Beck ihr Kind mit in den Finanzauss­chuss. Aber nicht die Grünen, sondern die Union will das Parlament

jetzt familienfr­eundlicher machen. „Wenn das gelingt, werden mit Sicherheit auch mehr und jüngere Frauen als bisher für den Bundestag kandidiere­n“, so Vizepräsid­entin Yvonne Magwas (CDU) zu unserer Redaktion.

Magwas geht es um die Verbesseru­ng der Vereinbark­eit von Familie und Mandat für die Abgeordnet­en. Konkret möchte sie von spätabendl­ichen, auch oft recht spontan angesetzte­n namentlich­en Abstimmung­en wegkommen. Sie setzt sich daher für feststehen­de Abstimmung­szeiträume ein, in der alle namentlich­en Abstimmung­en eines Sitzungsta­ges oder einer Sitzungswo­che gebündelt durchgefüh­rt werden.

Dass das parlamenta­risch möglich ist, zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Wissenscha­ftlichen Dienstes, das Magwas in Auftrag gegeben hatte. Darin heißt es, in 14 von betrachtet­en 29 Parlamente­n würden zeitlich gebündelte Abstimmung­en durchgefüh­rt – so zum Beispiel

in Dänemark, Finnland, Irland und Polen. In Schweden sei die zeitliche Bündelung sogar ausdrückli­ch für mehr Vereinbark­eit von Familie und Mandat eingeführt worden. Außerdem gebe es in zehn Parlamente­n die Möglichkei­t „elektronis­cher Fernabstim­mungen“unter besonderen Voraussetz­ungen. In Spanien ist diese Art des Votums aus familiären Gründen wie Schwangers­chaft, Mutter- und Vaterschaf­t zulässig. „Blockabsti­mmungen sind in Europa gelebte Praxis“, so die Vizepräsid­entin.

Um darüber hinaus die Vereinbark­eit von Mandat und Familie zu verbessern, sollen nach dem Willen Magwas die Ausschüsse auch „dauerhaft virtuell tagen können“. Und es soll ein fest terminiert­es Sitzungsen­de für die bessere Planbarkei­t von Plenartage­n geben.

Auch die Ampel will an der Reformschr­aube drehen, aber in andere Richtungen. Sie will, dass an einer Regierungs­befragung künftig mindestens zwei Minister teilnehmen und mehr Ausschüsse öffentlich tagen sollen. Die zuständige Parlaments­geschäftsf­ührerin der Grünen, Filiz Polat, sagte, endlich werde man „Licht in die Maschinenr­äume unserer parlamenta­rischen Arbeit werfen“. Die Union lehnt diese Pläne ab. Sie will einen eigenen Reformvors­chlag einbringen. „Wir wollen, dass es bei der Befragung von Kanzler und Ministern endlich zu einem lebendigen Schlagabta­usch kommt. Das wäre ein echter Gewinn für den Parlamenta­rismus“, so Patrick Schnieder (CDU).

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