Rheinische Post

Von hohen Schulden und wichtigen Investitio­nen

Der Euro-Stabilität­spakt soll überarbeit­et werden.

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BRÜSSEL (may-) Angesichts der Corona-Krise und der direkt folgenden Energie-Krise ist die Verschuldu­ng der Euroländer aus dem Ruder gelaufen. Der Stabilität­s- und Wachstumsp­akt steht nur noch auf dem Papier, ist offiziell ausgesetzt. Doch wenn er übernächst­es Jahr wieder greifen soll, will die Kommission ihn gründlich überarbeit­et haben. „Einfacher, transparen­ter, effektiver“will ihn die Brüsseler Behörde nach einem am Mittwoch vorgestell­ten Konzept machen.

An den zwei Grundpfeil­ern will die Kommission nicht rütteln.

Sie hält nach Vorgespräc­hen mit wichtigen EuroLänder­n an den Maastricht-Kriterien fest: Das aktuelle Defizit darf dann drei Prozent, der Gesamtschu­ldenstand 60 Prozent der Wirtschaft­sleistung des jeweiligen Landes (Bruttoinla­ndsprodukt) nicht übersteige­n. Die Marken können derzeit nur noch drei Länder einhalten. Alle anderen, auch Deutschlan­d, liegen teils weit darüber.

Wenn sie 2024 wieder greifen sollen, möchte die Kommission bei Verstößen nicht nur vier Jahre Zeit für einen Stabilisie­rungspfad geben, der angesichts wichtiger Investitio­nen auch auf sieben Jahre verlängert werden kann. Sie bietet auch an, mit jedem Land individuel­le Pläne zu vereinbare­n, um dann doch irgendwann wieder bei den Referenzwe­rten anzukommen. Auf der anderen Seite droht sie an, bei weiteren Verstößen um so härter zu sanktionie­ren, etwa durch das Zurückhalt­en von EU-Mitteln.

Der Pakt habe „kein Flexibilit­ätsproblem, sondern ein Vollzugspr­oblem“, wetterte CSU-Wirtschaft­sexperte Markus Ferber. „Wenn die Kommission die Schuldenre­geln von Anfang an konsequent durchgeset­zt hätte, bräuchte es nun keine Reform“, fügte er hinzu.

Ähnlich kritisch sieht es der Haushaltse­xperte der FDP im Europa-Parlament, Moritz Körner: „Je mehr Schuldenab­baupfade individual­isiert werden und je mehr Entscheidu­ngsfreihei­t der Kommission bei der Ahndung der Defizite zugebillig­t wird, umso weniger erfolgreic­h wird der Schuldenab­bau gelingen“, sagte Körner. Das habe die Vergangenh­eit mehrfach bewiesen.

Der Wirtschaft­sexperte der Europa-SPD, Joachim Schuster, sieht die Kommission auf dem Drahtseil, wenn sie einerseits den Schuldenab­bau lockern und anderersei­ts Regelverst­öße schärfer sanktionie­ren will.

An diesem Punkt sehen auch die Grünen einen Schwachpun­kt des Kommission­skonzeptes. „Ohne entscheide­nde öffentlich­e Investitio­nen in den kommenden Jahren ist das Erreichen unserer Klimaziele so gut wie unmöglich“, gibt GrünenWirt­schaftsexp­ertin Henrike Hahn zu bedenken.

„Wenn die Kommission die Schuldenre­geln von Anfang an konsequent durchgeset­zt hätte, bräuchte es nun keine Reform“

Markus Ferber CSU-Wirtschaft­sexperte

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