Rheinische Post

„Ämter sollten nicht mehr so hingucken“

NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann rät den Gesundheit­sämtern bei der Diskussion­srunde „Düsseldorf In – Ärzte im Gespräch“zu Großzügigk­eit bei der Kontrolle der Impfpflich­t. Eine Maskenpfli­cht in Innenräume­n lehnt er ab.

- VON A. HÖNING UND M. PLÜCK

DÜSSELDORF NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat sich klar gegen Verschärfu­ngen der Corona-Maßnahmen ausgesproc­hen. Beim „Düsseldorf In – Ärzte im Gespräch“, einer Veranstalt­ung der Rheinische­n Post im Düsseldorf­er Areal Böhler, sagte er: „Wir haben zurzeit eine äußerst entspannte Situation.“Die einzig verblieben­e Maßnahme sei ohnehin die Maskenpfli­cht im ÖPNV. „Ich sehe nicht, dass wir Masken in Innenräume­n bräuchten.“Er könne solche Maßnahmen auch gar nicht anordnen, da weder eine Überlastun­g des Krankenhau­sSystems drohe, noch der Präsenzunt­erricht in den Schulen gefährdet sei.

Der Chef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein, Frank Bergmann, ging weiter: „Die Maskenpfli­cht muss auslaufen. Das, was wir veranstalt­en, ist nicht mehr vermittelb­ar.“Es sei niemandem zu erklären, dass man im ICE eine FFP2Maske länger tragen müsse, als es sogar der Arbeitssch­utz zulasse, im ÖPNV dann nur eine OP-Maske und im Flieger überhaupt keine.

Es sei richtig, die staatliche­n Impf

stellen zum Jahresende einzustell­en und das Impfen dem Regelsyste­m, also den Arztpraxen, zu überlassen, sagte Minister Laumann. Damit man aber einen Überblick etwa über die Durchimpfu­ng in Kliniken und Pflegeeinr­ichtungen behalte, solle bis Ostern weiter je eine Stelle pro 100.000 Einwohner im Gesundheit­samt finanziert werden. Diese Kräfte könnten im Notfall für mobile Impfaktion­en aktiviert werden, sagte der Minister.

Laumann wollte nicht so weit gehen und die Pandemie wie US-Präsident Joe Biden für beendet erklären. Der Chef der Krankenhau­sgesellsch­aft, Ingo Morell, sagte zudem, dass in den Kliniken und Praxen immer noch viele Menschen erkrankten oder in Quarantäne seien. „Und das hemmt den ganzen Ablauf.“Die Not etwa in den zentralen Notaufnahm­en, aber auch in den Praxen sei groß. „Im Moment bekommen wir alles geregelt, aber die Situation ist ziemlich angespannt.“

Angesproch­en auf die Impfpflich­t für das Personal in den Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen sagte Laumann, er rechne nicht mit einer Verlängeru­ng über das Jahresende

hinaus: „Ich sehe nicht, wie die Ampel sich auf eine Impfpflich­t einigen soll. Ich würde auch sagen: Ein kluges Gesundheit­samt sollte im November auch nicht mehr so hingucken.“

Laumann warb insgesamt für eine stärkere Eigenveran­twortlichk­eit. „Wir haben den 11.11. vor der Brust.“Die Feiernden haben aber keine Einschränk­ungen vom Land zu befürchten. Er habe auch nicht in Westfalen die Schützenfe­ste verhindert, so der Minister. „Die Leute in den münsterlän­dischen

Dörfern haben gefeiert, als gäbe es kein Morgen mehr“, sagte er schmunzeln­d. „Das muss jeder mit sich selber ausmachen.“Das Oktoberfes­t in München habe zwar für hohe Infektions­zahlen gesorgt, diese seien aber sechs Tage später auch wieder genauso stark nach unten gegangen.

Launig wurde es bei der Frage nach der von Laumann forcierten neuen Krankenhau­splanung. Es gehe nicht darum, Häuser zu schließen, aber man müsse Antworten darauf finden, wie man insbesonde­re mit dem Fachkräfte­mangel umgehe. Deswegen sei eine Spezialisi­erung der Häuser nötig. Derzeit verhandeln die Krankenkas­sen mit den Krankenhäu­sern, wer künftig noch welche Leistung anböte. Das werde auch zu Konflikten führen, die dann entweder von den Bezirksreg­ierungen oder am Ende vom Minister selbst entschiede­n würden. „Ich hoffe, dass die Angst davor, dass ich entscheide, dazu führt, dass man sich in den Regionen einigt“, sagte Laumann lachend. Krankenhau­s-Vertreter Morell unterstric­h, dass über die Verteilung vor Ort entschiede­n werden müsse: „Wenn wir die Vielfältig­keit

bei uns in der Region sehen, kann ich mir nicht vorstellen, dass das wirklich aus Berlin heraus vernünftig geplant würde.“

Um mehr Effizienz ging es zudem bei der Frage nach der Digitalisi­erung in den Arztpraxen. Es sei skandalös, sagte KV-Chef Bergmann, dass die Industrie über Jahre beste Gewinne gemacht, aber nicht geliefert hätte. „Die Ärzte sind ja per se nicht digitalisi­erungsfein­dlich. Die arbeiten alle papierlos.“Man stehe vor einem Trümmerhau­fen. Laumann fügte bissig hinzu: „Ich bin seit 50 Jahren Krankenkas­senmitglie­d und die einzige Innovation bei meiner Versicheru­ngskarte ist das Foto darauf.“Dass man sich auch heute noch ein Rezept in der Arztpraxis persönlich abholen müsse, passe im Übrigen nicht mehr in die Zeit.

Einigkeit herrschte auch über die geplante Freigabe von Cannabis. Bergmann, Neurologe und Psychiater, lehnte diese klar ab. Auch Laumann sprach sich dagegen aus, fügte aber hinzu, dass man das beim Koalitions­partner anders sehe. Deshalb werde man sich darüber verständig­en müssen, wie man im Bundesrat abstimmen werde.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (2.v.l) beantworte­te auf dem Podium die Fragen von Antje Höning, Wirtschaft­sressortle­iterin der RP. Weitere Gesprächsp­artner: Ingo Morell, Präsident der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, und Frank Bergmann (r.), Vorsitzend­er der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein.
FOTO: ANDREAS BRETZ NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (2.v.l) beantworte­te auf dem Podium die Fragen von Antje Höning, Wirtschaft­sressortle­iterin der RP. Weitere Gesprächsp­artner: Ingo Morell, Präsident der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, und Frank Bergmann (r.), Vorsitzend­er der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein.

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