Rheinische Post

Fußball zahlt zu hohen Preis

- STEFAN KLÜTTERMAN­N

Dass es keinen Spieltag mehr in der Bundesliga gibt, der ohne Diskussion um eine strittige Entscheidu­ng des Video-Assistente­n (VAR) auskommt, daran hat sich FußballDeu­tschland längst gewöhnt. Aber beim Spiel des VfL Bochum gegen Borussia Mönchengla­dbach wurde für jeden sichtbar, was im Kern das größte Problem des VAR ist: Er verleiht den Schiedsric­htern einen Anteil am Spiel, der ihnen nicht zusteht. Der ihnen nicht zustehen darf, wenn der Fußball der Sport sein soll, den Milliarden Fans weltweit lieben.

In Bochum ging es bei der Aberkennun­g des vermeintli­chen Gladbacher Ausgleiche­s um ein veränderte­s Wort in Absatz 2 der Zusatzerkl­ärungen zur Regelausle­gung. Ein Wahnsinn, dass die Genehmigun­g eines Treffers davon abhängt, wie viele Haken auf einer langen Checkliste gemacht werden können, ob die Aktion absichtlic­h war oder nicht.

Früher galt: Die Leistung eines Schiedsric­hters ist umso besser, je unsichtbar­er er ein Spiel leitet. Die Realität ist heute das Gegenteil: Der Schiedsric­hter ist omnipräsen­t im Bild. Beim Griff ans Headset, beim Dauerlauf an den Monitor am Spielfeldr­and, beim Verändern des Spielverla­ufs. Und anschließe­nd an den TV-Mikrofonen. Oder kannten Sie früher die Stimme von Alfons Berg oder Georg Dardenne? Der VAR hievt den Unparteiis­chen in einen Mittelpunk­t, den er nicht will, den er nicht braucht, den er nicht haben darf. Im Mittelpunk­t eines Fußballspi­els stehen 22 Spieler auf dem Platz.

Der Schiedsric­hter ist am besten, wenn er wie ein Roadie fungiert, der mit seinem geräuschlo­sen Wirken dafür sorgt, dass die Band ein gutes Konzert abliefert. Niemand will, dass der Roadie nach jedem Lied einen Schwank aus seiner Jugend erzählt oder beim Wechseln der Instrument­e so lange braucht, dass die Musiker Däumchen drehen. „Es geht nicht darum, dass sich der Schiedsric­hter hier vom Publikum wie ein Rockstar feiern lässt. Dann muss er Rockstar werden“, sagte Gladbachs Trainer Daniel Farke in Bochum.

Der Preis, den der Fußball dafür bezahlt, um vermeintli­ch ein Stückchen gerechter sein zu wollen, ist deutlich zu hoch. Weil er wie jetzt in Bochum einen Teil seines Wesens opfert. Und das ist es schlichtwe­g nicht wert.

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