Kunst aus Organen
Der neue Film von David Cronenberg setzt deformierte Körper in Szene. In dem Horror bleibt aber wenig Platz für die hochkarätige Besetzung.
(dpa) Mit seinem neuen Film „Crimes of the Future“kehrt der kanadische Regisseur David Cronenberg zu seinen Wurzeln des BodyHorrors zurück. Einem Filmgenre also, das monströse oder deformierte Körper in Szene setzt. Der 79-jährige Filmemacher ist einer der Begründer dieser speziellen Form des Horrorfilms, sein Thriller „Die Fliege“von 1986 gilt heute unter vielen Cineasten als Kultfilm. Das neueste Werk Cronenbergs sorgte bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes allerdings vor allem wegen der hochkarätigen Besetzung mit Viggo Mortensen („Der Herr der Ringe“), Léa Seydoux („James Bond“) und Kristen Stewart („Twilight“) für Aufregung.
Darum geht es: In einem düsteren Zukunftsszenario können nur noch wenige Menschen Schmerzen empfinden. Einige haben hingegen neue Organe mit bislang unbekannten Fähigkeiten entwickelt. So zum Beispiel Saul Tenser (Mortensen), der aus seinen Mutationen Kunst macht. In Performances operiert seine Partnerin Caprice (Seydoux) die mutierten Organe vor Publikum heraus. Das weckt die Aufmerksamkeit der staatlichen Organ-Registrierungsbehörde. Dort arbeitet unter anderem Timlin (Stewart), die eine besondere Faszination für Tenser entwickelt. „Chirurgie ist der neue Sex“, flüstert sie ihm nach einer Performance zu. Unterdessen verfolgt auch eine mysteriöse Untergrundorganisation die Aktionen von Tenser und Caprice. Langsam stellt sich heraus: Hinter den rätselhaften Mutationen steckt etwas viel Größeres.
„Crimes of the Future“ist ein sinnlicher und morbider Film, der unheimliche Gerätschaften, Wunden und mutierte Organe in Szene setzt. Die Story und die Charaktere sind dabei sehr in den Hintergrund geraten. Dabei hätten Mortensen, Seydoux und Stewart sicher noch mehr zu bieten gehabt. Letztere kann ihre Schauspielkunst so gesehen noch am ehesten ausleben. Als Mitarbeiterin in der Registrierungsbehörde ist es ihre Figur Timlin eigentlich gewohnt, im Hintergrund zu agieren, nicht unnötig aufzufallen. Mit ihrer gehemmten Art (sie kann zum Beispiel niemandem so richtig in die Augen sehen)
passt sie irgendwie gut in das triste Büro der Behörde, in der nur zwei Leute arbeiten.
Doch sie sieht in den mutierten Organen nicht nur eine bürokratische Pflicht, sondern spürt auch eine besondere Anziehung dazu. Deswegen changiert Timlin stets zwischen starker Gehemmtheit und herausbrechender kurzer Leidenschaft – was Kristen Stewart sehenswert auf die Leinwand bringt.
Crimes of the Future, Kanada/Frankreich/Griechenland/Großbritannien 2022, Regie: David Cronenberg; mit Léa Seydoux, Kristen Stewart, Viggo Mortensen, Scott Speedman; 108 Minuten