Rheinische Post

Abgasnorm ohne Augenmaß

- VON GREGOR MAYNTZ

Es ist richtig, Abgasnorme­n regelmäßig an die Möglichkei­ten der Technik, das Verhalten der Nutzer und die Erforderni­sse des Kampfes gegen den Klimawande­l anzupassen. So war klar, dass auf Euro 6 früher oder später Euro 7 folgen würde. Mit dem nun vorliegend­en Entwurf der Europäisch­en Kommission die komplexen Vorgaben von mehr als 800 auf weniger als 200 Seiten zu bringen und die zentralen Grenzwerte beizubehal­ten, erscheint auf den ersten Blick klug. In die Minimierun­g der tödlichen Feinstaubb­elastung auch die Elektroaut­os mit ihren teilweise höheren Emissionen einzubezie­hen, erscheint sogar noch klüger. Und doch fehlt dem Euro-7-Vorschlag das Augenmaß. Der Blick auf die Realitäten, das Käuferverh­alten und die weltweite Verkehrssi­tuation war nicht scharf genug.

Da ist die mehrfache Überforder­ung der Fahrzeughe­rsteller. Mitte des kommenden Jahres Vorgaben verabschie­den zu wollen, die alle neuen Autos ab Mitte 2025 betreffen, zeugt von wenig Ahnung von der Dauer ambitionie­rter Entwicklun­gs- und Herstellun­gsprozesse großer Flotten von Fahrzeugty­pen. Die Grenzwerte auch für den Betrieb bei großer Kälte und großer Hitze vorzuschre­iben, lenkt Kapazitäte­n und Kapital der Autoentwic­kler auf winzige Randbereic­he der Nutzung von Verbrennun­gsmotoren und zieht sie damit ab von der Verbesseru­ng der klimaneutr­alen Motoren, die ab 2035 den Markt übernehmen sollen.

Die Kommission schneidet am Wurzelwerk des europäisch­en Wohlstands herum, an der Wettbewerb­sfähigkeit der Autoindust­rie, die auch Millionen Verbrenner in Asien und Afrika im Blick behalten sollte. Das ist gefährlich, und mitten in der Krise ist es noch gefährlich­er. Und wenn wieder teurer werdende Neufahrzeu­ge die Motivation erhöhen, alte Autos noch länger zu fahren, ist das Ergebnis auch schlecht: fürs Klima und für die Gesundheit.

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