Abgasnorm ohne Augenmaß
Es ist richtig, Abgasnormen regelmäßig an die Möglichkeiten der Technik, das Verhalten der Nutzer und die Erfordernisse des Kampfes gegen den Klimawandel anzupassen. So war klar, dass auf Euro 6 früher oder später Euro 7 folgen würde. Mit dem nun vorliegenden Entwurf der Europäischen Kommission die komplexen Vorgaben von mehr als 800 auf weniger als 200 Seiten zu bringen und die zentralen Grenzwerte beizubehalten, erscheint auf den ersten Blick klug. In die Minimierung der tödlichen Feinstaubbelastung auch die Elektroautos mit ihren teilweise höheren Emissionen einzubeziehen, erscheint sogar noch klüger. Und doch fehlt dem Euro-7-Vorschlag das Augenmaß. Der Blick auf die Realitäten, das Käuferverhalten und die weltweite Verkehrssituation war nicht scharf genug.
Da ist die mehrfache Überforderung der Fahrzeughersteller. Mitte des kommenden Jahres Vorgaben verabschieden zu wollen, die alle neuen Autos ab Mitte 2025 betreffen, zeugt von wenig Ahnung von der Dauer ambitionierter Entwicklungs- und Herstellungsprozesse großer Flotten von Fahrzeugtypen. Die Grenzwerte auch für den Betrieb bei großer Kälte und großer Hitze vorzuschreiben, lenkt Kapazitäten und Kapital der Autoentwickler auf winzige Randbereiche der Nutzung von Verbrennungsmotoren und zieht sie damit ab von der Verbesserung der klimaneutralen Motoren, die ab 2035 den Markt übernehmen sollen.
Die Kommission schneidet am Wurzelwerk des europäischen Wohlstands herum, an der Wettbewerbsfähigkeit der Autoindustrie, die auch Millionen Verbrenner in Asien und Afrika im Blick behalten sollte. Das ist gefährlich, und mitten in der Krise ist es noch gefährlicher. Und wenn wieder teurer werdende Neufahrzeuge die Motivation erhöhen, alte Autos noch länger zu fahren, ist das Ergebnis auch schlecht: fürs Klima und für die Gesundheit.