Rheinische Post

GELD UND LEBEN Gezielt belasten

Die Idee ist richtig, mit höherem Spitzenste­uersatz Hilfen zu finanziere­n.

- ULRIKE NEYER Unsere Autorin ist Professori­n für monetäre Makroökono­mik an der Universitä­t Düsseldorf. Sie wechselt sich hier mit dem Wettbewerb­sökonomen Justus Haucap und dem Vermögense­xperten Karsten Tripp ab.

Angesichts der extrem hohen Inflation haben die Wirtschaft­sweisen, also das Gremium, das die Regierung in wirtschaft­lichen Fragen berät, in dieser Woche vorgeschla­gen, die Haushalte mit geringem Einkommen über direkte staatliche Zuschüsse zu entlasten und zur Finanzieru­ng dieser Ausgaben den Spitzenste­uersatz zeitlich befristet zu erhöhen. Das ist überzeugen­d.

Die hohe Inflation, die insbesonde­re von den exorbitant gestiegene­n Preisen für Nahrungsmi­ttel und Energie getrieben wird, belastet alle Haushalte. Aber Haushalte mit geringem Einkommen sind stärker betroffen als Haushalte mit einem hohen Einkommen: Zum einen müssen sie einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie und Nahrungsmi­ttel ausgeben, das heißt: genau für die Güter, deren Preise massiv gestiegen sind. Ihre persönlich­e Inflations­rate ist damit höher. Zum anderen verfügen sie über einen geringeren finanziell­en Spielraum, um die zusätzlich­en Belastunge­n zu verkraften. Nicht nur wegen ihres niedrigere­n Einkommens, sondern auch aufgrund geringerer Ersparniss­e. Die hohe Inflation ist für Haushalte mit niedrigem Einkommen eine existenzie­lle Bedrohung. Sie müssen entlastet werden. Überzeugen­d argumentie­ren die Wirtschaft­sweisen, dass die Entlastung­smaßnahmen vier Bedingunge­n erfüllen sollen. Erstens sollen sie zielgenau entlasten, das heißt: die Haushalte, die existenzie­ll bedroht sind. Alle Haushalte können nicht entlastet werden. Zweitens sollen sie das Signal, das von hohen Energiepre­isen ausgeht, nicht außer Kraft setzen, damit ein Anreiz zum Energiespa­ren bleibt. Drittens sollen sie die Belastunge­n des Staatshaus­halts in Grenzen halten. Viertens sollen sie die Nachfrage nach Gütern nicht zusätzlich stärken, damit von ihnen nicht noch ein zusätzlich­er Druck auf die Preise ausgeht. Ein Entlastung­spaket, das die Haushalte mit geringem Einkommen durch staatliche Zuschüsse entlastet, finanziert über eine zeitlich befristete Erhöhung des Spitzenste­uersatzes, erfüllt diese Bedingunge­n am ehesten.

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