CSU scheitert mit Ruf nach härteten Strafen für Klimaaktivisten
BERLIN Im Bundestag kommt es am Donnerstagmorgen zum Schlagabtausch von zwei Abgeordneten. In der einen Ecke die Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, in der anderen CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Die Entstehung einer Klima-RAF muss verhindert werden“, lautet der Satz, an dem sich der Streit entzündet. Dobrindt hat ihn kürzlich im Hinblick auf festgeklebte Straßenblockierer und der Angriffe auf Kunstwerke durch Klimaaktivisten gesagt. Die Union, vor allem die CSU, will nun härtere Strafen für Blockierer und „Museumsrandalierer“. Den Antrag dazu debattiert das Parlament.
Die RAF war eine linksterroristische Vereinigung, die in den 1970erJahren und danach mehr als 30 Morde begangen hat. Dobrindt bemüht als Zeugin die Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, die gesagt habe, die Protestbewegung „Letzte Generation“sei schon auf der „Ziellinie“zur RAF. „Was muss passieren, dass Sie sich dieser Einschätzung anschließen?“, fragt er Mihalic. Der Zusammenhang sei „ungeheuerlich“, antwortet diese. In ihrer Rede zuvor hat Mihalic Dobrindt schon vorgeworfen, er stelle die Opfer von vorsätzlichem Mord „in eine Reihe mit denen, die im Stau stehen“. Selbst aus der Union ist zu hören, dass man über die Wortwahl des CSU-Mannes nicht glücklich gewesen ist – Dobrindt aber wackelt nicht.
Die Debatte dreht sich aber um mehr – der Protest von Teilen der Klimabewegung werde immer radikaler, so die Innenexpertin der Union, Andrea Lindholz (CSU). Sie erwähnt auch den Fall in Berlin Ende Oktober, als eine Radfahrerin schwer verunglückte und später starb, ein Rettungsfahrzeug der Berliner Feuerwehr aber wegen der Blockierer im Stau stand. „Das ist kein politischer Aktivismus mehr. Das sind Straftaten“, so Lindholz. Allein 18 Rettungsfahrzeuge seien seit Februar in Berlin behindert worden. „Das ist nicht akzeptabel.“Klimaschutz sei wichtig, aber er rechtfertige keine Straftaten, so die CSU-Frau. Da sind sich alle im Bundestag einig. Für die Union liegt die Lösung in härteren Strafen – sie glaubt, dadurch abschrecken zu können. Laut ihrem Antrag sollen daher im Rahmen des Tatbestands des besonders schweren Falls der Nötigung Blockierer mit Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bestraft werden sowie bei einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr mit bis zu fünf Jahren. Wer bedeutende Kunstwerke beschädigt, soll mindestens für drei Monate in Haft.
Es ist die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Sonja Eichweg, die den Antrag im Stile eines juristischen Seminars seziert, sodass auch die Union zum Teil gebannt zuhört. Eichweg war Strafrichterin. Der populistische Ruf nach Verschärfungen helfe weder den Behörden noch verhindere er weitere Taten, erläutert sie. Es gebe bereits zahlreiche Möglichkeiten, auch mit Freiheitsstrafen bei Nötigung oder gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr durchzugreifen. Das Vorgehen müsse dann aber auch „Tat und Schuld angemessen“sein, betont die Juristin. Überdies gebe es bereits Urteile.
Es tobt somit ein Streit unter Gelehrten im Parlament. Alle Fraktionen wenden sich gegen den Unionsantrag. Irene Mihalic wirft dann noch eine andere Frage auf: „Was heißt das denn für die Traktorendemos“, ruft sie in Richtung CSU, „sollen die jetzt etwa alle in den Knast, wenn sie den Verkehr in der halben Republik lahmlegen?“Eine Antwort aus den Reihen der CSU bleibt aus.