Der Präsident ist zufrieden
Joe Biden feiert das unerwartet gute Abschneiden der Demokraten bei den „Midterms“. Noch sind aber nicht alle Stimmen ausgezählt.
WASHINGTON Gut gelaunt trat der Präsident bei der traditionellen Pressekonferenz nach den „Midterms“vor die Kameras: „Die Demokratische Partei hat die Erwartungen von allen übertroffen“, sagte Joe Biden. Die Partei habe unter seiner Führung besser abgeschnitten „als in irgendeiner Zwischenwahl seit Präsident Kennedy“, also seit 60 Jahren.
Und besser als alle Präsidenten seit George W. Bush, dem die Amerikaner im Jahr nach den Anschlägen vom 11. September bei den „Midterms“den Rücken gestärkt hatten. Im Schnitt verliert die Partei des Präsidenten 24 Sitze im Repräsentantenhaus und sechs im Senat. Dank der Frauen und der jungen Wähler, die in überraschend großer Zahl wählen gingen, werden Bidens Demokraten nach Ende der Auszählung in jedem Fall besser abschneiden. Am Donnerstag hatten die Republikaner im Repräsentantenhaus noch nicht die 218 Sitze gesichert, die für eine Mehrheit benötigt werden. Die Machtverhältnisse im Senat hängen vom Ausgang der Auszählung in Nevada und Arizona ab. Sofern die Republikaner einen der Staaten gewinnen können, entscheidet wie 2021 eine Stichwahl in Georgia über die Mehrheit.
Er werde über die Feiertage mit seiner Frau Jill beraten, ob er 2024 noch einmal antreten werde, sagte Biden, der am 20. November seinen 80. Geburtstag feiert. „Alle wollen, dass ich kandidiere, aber wir werden es besprechen.“In den Nachwahl-Umfragen der „Midterms“hatten zwei Drittel der Wähler gesagt, sie wünschten nicht, dass der Präsident für eine zweite Amtszeit antritt.
Der Tag nach dem Ende der Wahlen ist in den USA traditionell der Beginn der Präsidentschaftswahl-Saison. Denn die Wahlen zum Kongress sind in der Regel ein Referendum über den Amtsinhaber. Joe Biden war angesichts niedriger Beliebtheitswerte um die 40-Prozent-Marke und einer Rekord-Inflation vorausgesagt worden, er werde in einer „roten Welle“der Republikaner ertrinken. Einen Denkzettel erhielt jedoch nicht Biden, sondern sein Vorgänger Donald Trump, der bei den Wahlen Hunderte Bewerber unterstützt und mit mehr als 50 Großveranstaltungen im Wahlkampf omnipräsent war. „Das hätte nicht einmal knapp sein dürfen“– mit diesen Worten weist der republikanische Stratege Whit Ayres die Schuld für das Debakel der Republikaner Trump zu.
Der Präsidentschafts-Historiker Gary Gerstle meint, der Ausgang der „Midterms“könnte sich für die Partei als Wendepunkt erweisen. „Die Republikaner beginnen sich von Trump abzusetzen“, interpretiert er die kritischen Stimmen zum Ausgang der Wahlen. William Galston von der Denkfabrik Brookings Institution sieht das ähnlich: „Viele Republikaner fragen sich nun, ob er wirklich unser bester Kandidat ist.“
Zumal es seit dem Wahltag eine klare Alternative gibt: Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, sicherte in dem ehemaligen Wechselwählerstaat seine Wiederwahl mit mehr als 20 Punkten Vorsprung auf den Demokraten Charlie Crist. Und als erster Republikaner holte er dabei eine Mehrheit im Großraum Miami. Auf die Frage, ob er 2024 lieber gegen DeSantis oder seinen Vorgänger Trump antreten würde, reagierte Biden mit Schadenfreude. Bei den Vorwahlen der Republikaner wäre es „ein Spaß zuzusehen, wie sie aufeinander losgehen“.
Trump hatte angekündigt, er werde am 15. November eine große Ankündigung machen. „Eine fürchterliche Idee“, sagt der wiedergewählte Gouverneur von New Hampshire, der Republikaner Chris Sununu. „Ich weiß nicht, wer den Präsidenten berät.“Sununu holte bei denselben Wählern dreizehn Prozentpunkte mehr Stimmen als der von Trump unterstützte Senats-Kandidat Doug Bolduc. Ein Schicksal, das Bolduc mit anderen Kandidaten Trumps teilt, die in angeblich sicheren republikanischen Wahlkreisen verloren hatten.
Im Umfeld des Ex-Präsidenten äußerten sich mehrere Berater skeptisch, ob es eine gute Idee sei, nach dem Ausbleiben des großen Sieges bereits zu diesem Zeitpunkt den Hut für einen neuen Anlauf auf das Weiße Haus in den Ring zu werfen. Jason Miller, ein enger Vertrauter des ExPräsidenten, rät, Trump sollte abwarten, wie die Stichwahl in Georgia ausgehe. Er könne sich dort für seinen alten Freund, den Footballstar Herschel Walker, einsetzen, dessen Kandidatur er unterstützt hatte. „Ich bin nicht der Einzige, der ihm dazu rät“, sagt Miller. Sollte Walker sich durchsetzen, könnte Trump seinen Sieg als Anlass wählen, eine Kandidatur anzukündigen.
Biden versicherte den Reportern, er werde seine Entscheidung nicht von Trump abhängig machen. Er werde nun erst einmal zum G20-Gipfel nach Indonesien reisen. Nach der Rückkehr werde er die Kongressführer ins Weiße Haus einladen, um zu sehen, ob es Schnittmengen gebe. Die Wähler hätten bei der Parlamentswahl deutlich gemacht, nicht „an jedem Tag politische Schlachten durchleben zu wollen“.