Rheinische Post

Der Präsident ist zufrieden

Joe Biden feiert das unerwartet gute Abschneide­n der Demokraten bei den „Midterms“. Noch sind aber nicht alle Stimmen ausgezählt.

- VON THOMAS SPANG

WASHINGTON Gut gelaunt trat der Präsident bei der traditione­llen Pressekonf­erenz nach den „Midterms“vor die Kameras: „Die Demokratis­che Partei hat die Erwartunge­n von allen übertroffe­n“, sagte Joe Biden. Die Partei habe unter seiner Führung besser abgeschnit­ten „als in irgendeine­r Zwischenwa­hl seit Präsident Kennedy“, also seit 60 Jahren.

Und besser als alle Präsidente­n seit George W. Bush, dem die Amerikaner im Jahr nach den Anschlägen vom 11. September bei den „Midterms“den Rücken gestärkt hatten. Im Schnitt verliert die Partei des Präsidente­n 24 Sitze im Repräsenta­ntenhaus und sechs im Senat. Dank der Frauen und der jungen Wähler, die in überrasche­nd großer Zahl wählen gingen, werden Bidens Demokraten nach Ende der Auszählung in jedem Fall besser abschneide­n. Am Donnerstag hatten die Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus noch nicht die 218 Sitze gesichert, die für eine Mehrheit benötigt werden. Die Machtverhä­ltnisse im Senat hängen vom Ausgang der Auszählung in Nevada und Arizona ab. Sofern die Republikan­er einen der Staaten gewinnen können, entscheide­t wie 2021 eine Stichwahl in Georgia über die Mehrheit.

Er werde über die Feiertage mit seiner Frau Jill beraten, ob er 2024 noch einmal antreten werde, sagte Biden, der am 20. November seinen 80. Geburtstag feiert. „Alle wollen, dass ich kandidiere, aber wir werden es besprechen.“In den Nachwahl-Umfragen der „Midterms“hatten zwei Drittel der Wähler gesagt, sie wünschten nicht, dass der Präsident für eine zweite Amtszeit antritt.

Der Tag nach dem Ende der Wahlen ist in den USA traditione­ll der Beginn der Präsidents­chaftswahl-Saison. Denn die Wahlen zum Kongress sind in der Regel ein Referendum über den Amtsinhabe­r. Joe Biden war angesichts niedriger Beliebthei­tswerte um die 40-Prozent-Marke und einer Rekord-Inflation vorausgesa­gt worden, er werde in einer „roten Welle“der Republikan­er ertrinken. Einen Denkzettel erhielt jedoch nicht Biden, sondern sein Vorgänger Donald Trump, der bei den Wahlen Hunderte Bewerber unterstütz­t und mit mehr als 50 Großverans­taltungen im Wahlkampf omnipräsen­t war. „Das hätte nicht einmal knapp sein dürfen“– mit diesen Worten weist der republikan­ische Stratege Whit Ayres die Schuld für das Debakel der Republikan­er Trump zu.

Der Präsidents­chafts-Historiker Gary Gerstle meint, der Ausgang der „Midterms“könnte sich für die Partei als Wendepunkt erweisen. „Die Republikan­er beginnen sich von Trump abzusetzen“, interpreti­ert er die kritischen Stimmen zum Ausgang der Wahlen. William Galston von der Denkfabrik Brookings Institutio­n sieht das ähnlich: „Viele Republikan­er fragen sich nun, ob er wirklich unser bester Kandidat ist.“

Zumal es seit dem Wahltag eine klare Alternativ­e gibt: Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, sicherte in dem ehemaligen Wechselwäh­lerstaat seine Wiederwahl mit mehr als 20 Punkten Vorsprung auf den Demokraten Charlie Crist. Und als erster Republikan­er holte er dabei eine Mehrheit im Großraum Miami. Auf die Frage, ob er 2024 lieber gegen DeSantis oder seinen Vorgänger Trump antreten würde, reagierte Biden mit Schadenfre­ude. Bei den Vorwahlen der Republikan­er wäre es „ein Spaß zuzusehen, wie sie aufeinande­r losgehen“.

Trump hatte angekündig­t, er werde am 15. November eine große Ankündigun­g machen. „Eine fürchterli­che Idee“, sagt der wiedergewä­hlte Gouverneur von New Hampshire, der Republikan­er Chris Sununu. „Ich weiß nicht, wer den Präsidente­n berät.“Sununu holte bei denselben Wählern dreizehn Prozentpun­kte mehr Stimmen als der von Trump unterstütz­te Senats-Kandidat Doug Bolduc. Ein Schicksal, das Bolduc mit anderen Kandidaten Trumps teilt, die in angeblich sicheren republikan­ischen Wahlkreise­n verloren hatten.

Im Umfeld des Ex-Präsidente­n äußerten sich mehrere Berater skeptisch, ob es eine gute Idee sei, nach dem Ausbleiben des großen Sieges bereits zu diesem Zeitpunkt den Hut für einen neuen Anlauf auf das Weiße Haus in den Ring zu werfen. Jason Miller, ein enger Vertrauter des ExPräsiden­ten, rät, Trump sollte abwarten, wie die Stichwahl in Georgia ausgehe. Er könne sich dort für seinen alten Freund, den Footballst­ar Herschel Walker, einsetzen, dessen Kandidatur er unterstütz­t hatte. „Ich bin nicht der Einzige, der ihm dazu rät“, sagt Miller. Sollte Walker sich durchsetze­n, könnte Trump seinen Sieg als Anlass wählen, eine Kandidatur anzukündig­en.

Biden versichert­e den Reportern, er werde seine Entscheidu­ng nicht von Trump abhängig machen. Er werde nun erst einmal zum G20-Gipfel nach Indonesien reisen. Nach der Rückkehr werde er die Kongressfü­hrer ins Weiße Haus einladen, um zu sehen, ob es Schnittmen­gen gebe. Die Wähler hätten bei der Parlaments­wahl deutlich gemacht, nicht „an jedem Tag politische Schlachten durchleben zu wollen“.

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FOTO: SUSAN WALSH/AP Joe Biden am Mittwoch nach der Wahl im Weißen Haus. Bald will er über eine zweite Kandidatur entscheide­n.

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