„Du kannst immer Kind sein“
Die 27-jährige Schauspielerin Saskia Keilbach erzählt im Interview vom Einstieg in die Schauspielbranche, von Erfolgen und Frust, dem Alltag als junge Mutter und den Vorurteilen, die ihr entgegengebracht werden.
Saskia Keilbach arbeitet seit fünf Jahren als Schauspielerin und ist gleichzeitig Mutter einer mittlerweile fünfjährigen Tochter. Wie sie den Spagat zwischen Beruf und Familie schafft und was ihr die Schauspielerei bedeutet, verrät die 27-Jährige im Interview.
Liebe Saskia, wie bist du Schauspielerin geworden?
Als ich 2013 nach Berlin kam, wollte ich mich erst einmal schauspielerisch ausprobieren. Ich habe Schauspielunterricht genommen, in Theatergruppen mitgespielt und Coachings gemacht. Dadurch habe ich mich in der Schauspielbranche vernetzt. Ich brauchte Szenen für mein Demo-Band. Ein Demo-Band ist eine Sammlung aller gedrehten Szenen, mit dem man sich bei Schauspielagenturen bewerben kann. Die Agentur vertritt dich und schlägt dich für Produktionen vor. Nach fünf Jahren hatte ich endlich genug zusammen und wurde bei meiner Agentur Koi-Actors aufgenommen.
Wolltest du schon immer Schauspielerin werden?
Ich wollte schon mit fünf Jahren Schauspielerin werden. Auf Familienfesten habe ich Stücke vorgeführt: Entweder habe ich Lehrkräfte oder Leute aus dem Freundeskreis imitiert oder Filmszenen nachgespielt.
Wie liefen deine ersten Castings ab?
Überraschenderweise liefen die ersten Castings fantastisch. Ich habe viel positives Feedback bekommen. Erst später kam eine kleine Durststrecke. Ich habe auch verstanden, warum: Anfangs war ich entspannt, weil ich keine Erwartungen hatte. Diese Grundentspannung hat mir Lockerheit und Authentizität verliehen, die ich in dieser Form nie wieder erreicht habe. Ich arbeite momentan daran, abgesehen von den Erwartungen mit Spaß und Spielfreude in die Castings zu gehen.
Wie steht es mit Frust in einer Schauspielkarriere?
Um den Frust kommt man nicht herum. Er gehört dazu, wenn Absagen oder keine Rückmeldung kommen. Ich habe gelernt, mit dem Frust umzugehen, sonst frisst er mich auf. Ich versuche bei einer Absage, die Perspektive zu ändern: Es ist keine Entscheidung gegen mich, sondern für eine andere Person. Es ist manchmal eine Typ-Frage und hat nichts mit meinem Talent oder meiner Kompetenz zu tun. Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.
Wie sieht es mit Erfolg in der Schauspielbranche aus?
Es ist superschön, Erfolg zu haben! Aber in dieser Branche begreift man schnell, dass Erfolg temporär ist und man die kleinen Dinge sehen muss. Wenn ich für eine Produktion nicht ausgewählt wurde, weiß ich zu schätzen, wie ich an dieser Rolle gewachsen bin und was ich gelernt habe.
Wie startet man, wenn man in die Schauspielbranche möchte?
Am besten fängt man früh an. Als Kind gehst du anders an Rollen heran: mit weniger Zweifeln und Gedanken, was andere von dir halten könnten. Ansonsten ist das Wichtigste, eine Agentur zu finden, um Castings zu kriegen. Versuche, deine Vita an schwarze Bretter von Filmhochschulen zu hängen, so kommt man mit Filmstudierenden in Kontakt. Vernetze dich auf Plattformen und sozialen Netzwerken. Projekte sind wichtig, um sich kennenzulernen und entfalten zu können.
Du bist mit 22 Jahren Mutter geworden. Was hat sich dadurch geändert?
Ich wurde in meiner Agentur aufgenommen, als ich meine Tochter bereits hatte, also hat sich beruflich nicht viel geändert. Privat hat sich alles geändert. Du kannst das Leben einer Mutter nicht mit einer 22-Jährigen ohne Kind vergleichen. Mein Alltag wird durch die Bedürfnisse meines Kindes geleitet. Zuerst war es schwierig, doch mittlerweile bin ich froh, jung Mutter geworden zu sein. Ich sehe den Unterschied zwischen
mir und anderen Eltern: Mein Partner und ich sind noch wild, albern und kindisch mit unserer Tochter. Ich konnte dadurch sehr viel von mir bewahren. Im Prinzip sind Zeitmanagement, Disziplin und schlaflose Nächte der Schlüssel zum Erfolg.
Wie haben dein Umfeld, dein Freundeskreis und deine Familie reagiert? Ich wurde von meiner Familie, einer Karrierefamilie, sehr positiv überrascht. Erst durch ihre Unterstützung und die der Familie meines Partners habe ich Sicherheit bekommen. Wir sind nach der Geburt unserer Tochter zwei Jahre zu meiner Mutter gezogen, um dort Hilfe zu erhalten. Mit dem Freundeskreis war es ähnlich positiv. Natürlich waren einige verwundert oder schockiert, gerade weil es unerwartet kam, aber das gehört dazu und pendelt sich ein.
Gibt es Vorurteile, die dir als junge Mutter begegnet sind?
Definitiv ja! Als ich mich 2017 bei Agenturen beworben habe, bekam ich einige Monate später Rückmeldungen. Ich war bereits schwanger und musste erzählen, dass sich meine private Situation verändert hat. Ich habe betont, dass ich bald wieder bereit sein würde, zu drehen. Es war heftig, als ich deswegen viele Absagen erhalten habe. Auch dass mir nicht zugetraut wurde, ein Kind und die Schauspielerei auf die Reihe zu kriegen. Wie ich das hinkriege, ist meine Sache. Eine Agentur sollte auf meine Schauspielkunst gucken. Es ist mir noch ein weiteres Vorurteil
begegnet: Als junge Frau mit Kind könne ich keine jugendlichen Rollen mehr spielen. Wenn ich mit anderen sehr jungen Schauspielerinnen und Schauspielern gespielt habe, wurde ich anders betrachtet. Ich musste lernen, dazu zu stehen, denn es ist einfach ein Job. Ich habe lange damit gekämpft. Heute bin ich stolz und selbstbewusst, junge Mutter und Schauspielerin zu sein.
Was wird am meisten am Beruf der Schauspielerin unterschätzt? Menschen glauben, Schauspielerei sei einfach. Viele unterschätzen die Recherche, das Üben, das Einfinden in die Rolle. Wenn etwas Historisches gespielt werden muss, musst du dich in die Zeit einfühlen und guckst dir Interviews oder Dokumentationen an. Dieses Wissen musst du dann auf dich projizieren und es verkörpern. Außerdem sind Drehtage anstrengend. Etwas Emotionales muss häufig 15 Mal nacheinander gespielt und erlebt werden. Du musst auf Knopfdruck funktionieren, ungeachtet dessen, was bei dir privat los ist. Und das bei Nacht, in kaltem Wasser oder in kurzen Kleidern im Winter.
Was macht dir in deinem Beruf am meisten Spaß?
Als Schauspielerin kannst du heute eine Präsidentin sein, morgen im 16. Jahrhundert leben und übermorgen in die Gedankenwelt einer Mörderin eintauchen. Du kannst in andere Leben schlüpfen und irgendwie immer Kind sein. Man wird sowieso schon viel zu schnell erwachsen.