Erst das Debakel, dann die Farce
Das nächste Jahr wird in Berlin also wieder ein Wahljahr. Denn in der deutschen Hauptstadt sind im vergangenen Jahr Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl komplett schiefgegangen. Wahllokale mussten zeitweise schließen, es kam zu langen Warteschlangen, teilweise wurden Wahlunterlagen an Minderjährige abgegeben, die ihre Stimme für die Bezirkswahl abgeben wollten – bei der das Wahlalter bei 16 Jahren liegt. Wer an der Wahl in Berlin selbst teilgenommen hat, musste erleben, wie die in der Verfassung verankerten Wahlgrundsätze in Teilen mit Füßen getreten wurden.
Die Verwaltung war heillos überfordert, weil parallel zum Bundestag auch das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt wurden. Es war ein Desaster mit Ankündigung, das politisch voll und ganz vom damals regierenden rot-rot-grünen Senat zu verantworten war. Nun hat der Bundestag am späten Donnerstagabend mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlossen, dass die Wahl in 431 Wahlbezirken wiederholt werden soll. Gegen den Beschluss des Bundestags ist allerdings noch Einspruch vor dem Bundesverfassungsgericht möglich – und der sollte auch erhoben werden. Denn die Ampel-Fraktionen begründen ihre Vorlage damit, dass mit einer Neuwahl in den 431 Lokalen die Wahl überall dort wiederholt würde, wo es tatsächlich zu Pannen und Fehlern gekommen war. Betroffen wäre damit aber nur rund ein Fünftel der 2256 am 26. September 2021 geöffneten Wahllokale – das ist eine Farce.
Es lohnt der Blick auf die Justiz. Denn über die ebenfalls auf der Kippe stehende Abgeordnetenhauswahl entscheidet am kommenden Mittwoch das Berliner Verfassungsgericht. In der mündlichen Verhandlung zeichnete sich ab, dass das Gericht eine komplette Wiederholung anordnen könnte. Das wäre auch für die Bundestagswahl in Berlin nur konsequent.